Emmen: Weder Stadt- noch Landwirtschaft
Emmen ist etwas ganz Besonderes – die Gemeinde ist eine Mischung von Stadt und Land. Emmen bietet seinen Einwohnerinnen und Einwohnern ausreichend von beidem. Emmer Bauern erklären, was die Emmer Landwirtschaft ausmacht, was auf Emmer Boden weshalb gedeiht und was Emmer am liebsten auf ihrem Teller haben. Schnell wird klar – Bauern sind nicht nur Zeitzeugen, sondern gleichermassen Geologen und innovative Unternehmer. Die Familie Schmid, die auf dem Obergrundhof lebt und arbeitet und den Landwirten Samuel Helfenstein vom Biohof Oberhasli, der kürzlich den Hof seiner Eltern übernahm, trafen wir zum Gespräch.
Das Wichtigste in Kürze
- Emmer Landwirtschaft - zwischen Stadt und Land
- Geschichte, Entwicklung und Zukunft der Emmer Bauernbetriebe
- Emmer Landwirte im Gespräch
Regen,
der Emmer Milch und Fleisch macht
Auch
die Emmer Landwirtschaft ist etwas Spezielles. Denn die hiesige Landwirtschaft
wird inmitten des Agglomerationsgebietes betrieben. Klimabedingt dominiert in
Emmen vor allem die Milchwirtschaft, weiss Junglandwirt Helfenstein. Deswegen
sei natürlich eine tierintensive Landwirtschaft kennzeichnend für diese Region,
wie es für den Kanton Luzern allgemein gelte. Die Schmids berichten zusätzlich
von Betrieben, die sich auf die Tierhaltung (Schweine, Rindvieh, neuerdings
auch Geflügel) oder auf die Nischenproduktion, wie zum Beispiel den Obstbau,
konzentrieren. Die Milchwirtschaft habe sich aber stark gewandelt, weiss der
langjährige Landwirt Karl Schmid. Etwa die Hälfte der Milchbetriebe sei aus der
Produktion ausgestiegen oder habe umgesattelt. Heute gäbe es wesentlich
weniger, dafür grössere Bauernbetriebe – die Rentabilität spiele als je mehr
eine zentrale Rolle. Auf die Frage, was in Emmen am besten gedeihe, entgegnen
sämtliche Landwirte rasch: "Gras, natürlich." Denn Gras brauche
ausgesprochen viel Wasser, erklärt Helfenstein. Nebst Gras gedeihe primär Mais
gut, weiss Patrick Schmid, der Sohn von Karl Schmid. Daneben wachse allgemein
auch Getreide und Raps, ergänzt Helfenstein. Alles was exotischer sei, habe mit
dem nassen Emmer Klima Mühe.
Anbau
zwischen Wirtschaftlich- und Nachhaltigkeit
Will
man also wirtschaftlich sinnvoll anbauen, muss man sich auf das konzentrieren,
was hier auch wächst, erläutert Helfenstein. Dabei sei die Bioproduktion nachhaltiger
– man produziere das, was auf dem lokalen Boden gut gedeihe und versuche dies
möglichst umweltnah zu tun. Bio bedeute ja, ohne Kunstdünger und
chemisch-synthetische Pestizide auszukommen. Familie Schmid, die einen
konventionellen Bauernbetrieb führt, erklärt, dass theoretisch in Emmen zwar
fast alles wachsen würde, die Feuchtigkeit aber die Anfälligkeit der Pflanzen
für Krankheiten erhöhe. Das erschwere natürlich die Bedingungen für eine
ökologische Landwirtschaft. Die Graswirtschaft sei ausserdem die einfachste, da
sind sich die Schmids und Helfenstein einig – Emmer Milch- und Fleischprodukte
in den Regalen der lokalen Geschäfte beweisen dies. Auch Helfensteins Betrieb
setzt auf die Milchwirtschaft. Dazu wird neben den Milchkühen auch das Jungvieh
auf dem Betrieb grossgezogen und einige Tiere werden für die Fleischproduktion
gemästet. Nebst Gras als Futter für die Tiere werden auch die Ackerkulturen
Mais, Weizen und Dinkel angebaut. Sämtliche pflanzliche Erzeugnisse werden bei
beiden Höfen auf Emmer Boden angepflanzt.
Landwirtschaft
als Teilgeologie
Die
Felder des Obergrundhofs befinden sich auf fruchtbarem, nährstoffreichem
Schwemmland und können deshalb vielfältig genutzt werden. "Deshalb ist die
Bodenqualität in Emmen auch alle zwanzig Meter eine andere", scherzt
Patrick Schmid. "Von sandigem, eisenhaltigem oder kreidig-kalkigem Boden
finden Sie hier alles", meint Karl Schmid darauf. Die beiden erklären
stolz, dass sie auf ihrem Land bereits vollständig konservierte Stauden in
einer drei Meter hohen Lehmschicht gefunden hätten.
Wie der Bauern zum Dolmetschen kam Emmer Produkte, auf Emmer Boden gepflanzt, geerntet und verkauft, sind in der ganzen Schweiz beliebt. Bei den Schmids stammt ein Grossteil der Stammkunden ihres Hofladens aus Emmen, aber dank dem nahen Autobahnanschluss habe man gar Stammkunden aus dem Tessin. Die Kürbisse des Obergrundhofs seien im Herbst vor allem bei Restaurants beliebt und auch einige Amerikaner verschlage es vor Halloween auf den Hof. Auch Personen, die ihre Familien in der Region besuchen, seien häufig auf dem Hof oder aber Menschen mit asiatischem Hintergrund. Dies führe dazu, dass der Bauer gleichzeitig auch Übersetzer ist, scherzen die Schmids. Jedes Land habe seine eigene Kürbissorte – so wissen die Schmids meist schon aufgrund der Nationalität der Kunden, was sie sich für einen Kürbis wünschen. Nebst den Kürbissen sei der Süssmost bei der Emmer Bevölkerung sehr beliebt, den die Familie auf dem Hof herstellt. Zu über 50% könne sich die Familie frankenmässig selbstversorgen – Fleisch, Milch, Getränke, Obst und Gemüse tragen dazu bei. Auch Helfenstein versorgt sich nach Möglichkeit mit Milch, Fleisch und Gemüse selbst. Die Hoferzeugnisse des Obergrundhofs könne man im Hofladen oder zum Teil – und natürlich saisonal bedingt – in den lokalen Spar- und Landi-Filialen in Emmen beziehen. Ausserdem würden mit der Hofspezialität Kürbis diverse Restaurants, die Migros und der Aldi beliefert. Helfenstein indessen beliefert mit seiner Milch Emmi, die die Emmer Milch schweizweit vertreibt. Auch das Fleisch aus seinem Hof gebe er in Verbreitungskanäle, verrät Helfenstein.
Der Bauer als technisierter Unternehmer Die Emmer Landwirtschaft hat sich aufgrund von technischen Neuerungen in den letzten Jahrzehnten massgeblich verändert. Zeugen davon sind auf dem Obergrundhof etwa der Milchautomat oder die vom jüngeren Sohn betriebene Webseite. "In meinen 40 Jahren als Landwirt hat sich in der Emmer Landwirtschaft viel getan", weiss Karl Schmid. Die Automatisierung habe zu weniger, aber grösseren Betrieben geführt, ergänzt seine Familie. Helfenstein bestätigt diesen Befund und glaubt, dass sich in Zukunft der Strukturwandel verstärke, die Hofanzahl geringer, die Betriebe dafür grösser würden. Die Emmer Landwirtschaft sei glücklicherweise mit der technischen Entwicklung mitgegangen und habe so den Anschluss an die zunehmende Technisierung nicht verpasst, wie das in anderen Gemeinden der Fall sei. Der Fokus liege für den Landwirten von heute auf der Produktion und auf der Wirtschaftlichkeit ebendieser. Somit sei der Landwirt viel mehr Unternehmer als früher. Die Rentabilität sei mitunter ein Grund, weshalb er sich der Biolandwirtschaft verschreibe, erklärt Helfenstein. "In Emmen haben die meisten Landwirte nebst dem Bauern noch zusätzliche Standbeine", bemerkt Karl Schmid.
Innovation
und Zukunft der Bauernhöfe
"Innovation ist das, was die Emmer
Landwirtschaft meiner Meinung nach am besten beschreibt", weiss Patrick
Schmid. Helfenstein gibt ihm Recht, als er von der Solaranlage seines Vaters
erzählt, der diese 2004 in Betrieb nahm – es war eine der ersten Anlagen der
Schweiz. Bis heute generiere er damit Warmwasser und Strom. "Ich glaube es
ist die Zukunftsorientierung der Landwirte, die über das Fortbestehen der
Betriebe in der modernen Welt entscheidet", meint Karl Schmid. Denn wie
man weiss, sind die Bauernfamilien von heute nicht mehr so gross wie früher.
Helfenstein ist Beweis für diese Aussage – er übernahm den Hof seiner Eltern
Anfang Jahr und ist seitdem damit beschäftigt, den Hof neu zu organisieren.
"Ein Biohof wird's sicher bleiben, ich habe Bio im Blut, bin damit
aufgewachsen", scherzt der Junglandwirt Helfenstein, der seit er denken
kann auf dem Bauernhof gelebt und mitgearbeitet hat. Laut Patrick Schmid wird
der Trend der technischen Modernisierung so weitergehen. Land werde dabei für
den Bauern in einem Agglomerationsgebiet wie Emmen immer zentraler. Samuel
Helfenstein sieht dem wachsenden Siedlungsdruck in der Schweiz und speziell in
Emmen und den damit immer geringer werdenden Landflächen für die Emmer
Landwirtschaft kritisch entgegen