Von Popkultur zum Nischenmarkt: Stirbt das Autotuning aus?
Das Auto schneller und individueller machen, das ist Tuning. Doch seit den erfolgreichen 00er ist Tuning seltener geworden, aber warum?
Das Wichtigste in Kürze
- Tuning ist nicht mehr so populär wie noch in den 90er oder 00er Jahren.
- Strengere Vorschriften und hohe Kosten sind einige der Gründe.
- Ausserdem bieten Autohersteller selber umfangreiche Tunings an.
- Eine Chance für den Tuning-Markt der Zukunft könnte die E-Mobilität sein.
In den 00er Jahren waren sie allgegenwärtig: Getunte Autos. Mit ihren speziellen Felgen, Anbauteilen und Lackierungen, prägten sie die Popkultur. In Filmen und Videospielen wurden sie verewigt.
Heute sind solche Fahrzeuge jedoch eine Seltenheit auf den Strassen. Woran liegt das?
Christoph Dähler, ein grosser Schweizer Tuner, führt den Rückgang nicht auf einen Verlust der Begeisterung für das Individualisieren zurück. Er sieht strengere Polizeikontrollen als Grund.
Früher illegal, aber egal
«Sehr, sehr lange hat das niemand interessiert. Und solange es niemand kontrolliert hat, hatten die Kunden auch keine Hemmschwelle. Sie konnten Sachen kaufen, die illegal waren und nichts passierte. Aber heute, wo die Autos rigoros aus dem Verkehr gezogen werden, überlegt sich der Kunde viel mehr: Gebe ich das viele Geld wirklich aus?», erklärt Dähler.
Christoph Schwägli, Präsident des Auto Technik & Design Verbands Schweiz, weist auf eine weitere Hürde hin: die strengen Vorschriften.
«Früher hatte man mehr Möglichkeiten etwas zu machen, man hatte noch nicht die Vorschriften wie heute. Heute müssen wir für sämtliche Teile, die wir an ein Auto schrauben, ein Gutachten haben», sagt Schwägli.
Diese Gutachten sind notwendig, um die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu belegen, was die Kosten für Tuner in die Höhe treibt.
Die technischen Herausforderungen beschränken sich nicht nur auf die Optik.
Motortuning
Auch das Motortuning ist betroffen. «Einerseits haben die Autos heute bereits viel mehr Leistung serienmässig. Und andererseits ist es auch dort schwieriger geworden, die Leistungssteigerungen zu prüfen», führt Schwägli weiter aus.
Joel Wooden, Mobilitätsexperte beim TCS, ergänzt: «Bei einem 90er Jahre Auto konnte man relativ schnell einfach das Motorsteuergerät gegen ein anderes austauschen. Heutzutage ist der Controller eingebunden in Fahrassisstenzsysteme, in adaptive Tempomaten etc. Und die Vernetzung dieser Steuergeräte erschwert es natürlich, massiv Veränderungen vorzunehmen.»
Trotz der Herausforderungen gibt es immer noch Bereiche, in denen Tuning lohnenswert sein kann.
Beispiel BMW M2
Der BMW M2 von Dähler ist ein gutes Beispiel für die aktuelle Lage in der Tuningbranche.
Durch seine Popularität in der Schweiz bleibt er trotz hoher Kosten und technischem Aufwand profitabel.
Die Dähler-Version bietet erhebliche Leistungssteigerungen und umfassende Modifikationen, die sie deutlich von der Serienausführung abheben.
Zudem verdeutlicht der M2 den wachsenden Wettbewerb zwischen Tunern und Autoherstellern. Sie bieten zunehmend eigene Anpassungsoptionen an, was unabhängige Tuner zwingt, gegenüber den Herstellern innovativ zu bleiben.
«Die sehen natürlich, was wir für Umsätze mit unseren Komponenten erzielen und haben ja selber sehr, sehr umfängliche Angebote. Das geht bis zur Motorleistung, Sportauspuffe, Aerodynamikteile – das machen die Hersteller alle selber», so Dähler.
Elektromobilität als Chance
Ein neues Feld könnte jedoch die Elektromobilität darstellen.
«Die Elektrofahrzeuge sind alle bleischwer und dort haben wir riesigen Spielraum auch gerade fahrwerkstechnisch», meint Dähler.
Wooden sieht ebenfalls Potential: «Bei solchen Fahrzeugen wiederum ist der Personalisierungsmarkt wieder am Boomen.»
Es bleibt abzuwarten, ob die Tuningbranche sich erfolgreich anpassen kann und vielleicht durch die Elektromobilität eine Renaissance erfährt.
Doch eines ist klar: Die Tage, in denen Tuning einfach und allgegenwärtig war, sind vorbei.