Als Zwingli mit einem Wurst-Essen gegen das Fasten rebellierte

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Zürich,

Im 16. Jahrhundert war die Fastenzeit kirchliches Gesetz. Sie zu brechen, kam einem Direkt-Ticket in die Hölle gleich. Der Zürcher Reformator Zwingli lud trotzdem zum deftigen Wurstessen.

Zwei Würste für eine Reformation: Mit seinem Wurst-Essen während der Fastenzeit beging Zwingli nicht nur einen grossartigen Frevel, sondern läutete auch die Reformation ein.
Zwei Würste für eine Reformation: Mit seinem Wurst-Essen während der Fastenzeit beging Zwingli nicht nur einen grossartigen Frevel, sondern läutete auch die Reformation ein. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Während heute jeder selber entscheidet, ob er vor Ostern fasten möchte, war dies im 16. Jahrhundert Pflicht.
  • Das hielt den Zürcher Reformator Zwingli im Jahr 1522 nicht davon ab, zum deftigen Wurst-Essen zu laden.
  • Mit dem Wurst-Essen protestierte Zwingli gegen die von Menschen bestimmten Regeln der Kirche.
  • Überspitzt gesagt dürfte man also behaupten, die Zürcher Reformation begann mit zwei Würsten der Metzgerei Liebermann.

Auf Fleisch verzichten am heutigen Karfreitag auch viele, die weder besonders gläubig sind, noch die 40-tägige Fastenzeit von Aschermittwoch bis Gründonnerstag mitgemacht haben. Am Karfreitag ein schön blutiges Steak zu bestellen, kommt auch heute noch für viele einem Statement gleich.

Wie also wird die Gesellschaft im 16. Jahrhundert reagiert haben, wenn wichtige Vertreter der Kirche beschlossen, während der Fastenzeit eine deftige Wurst mit Lauch und Speck zu verköstigen?

Zwingli rebelliert

Undenkbar? So geschehen im Jahr 1522 in Zürich – allerdings nicht am Karfreitag, sondern am 9. März. Mitten in der heiligen Fastenzeit und unter den Augen des Zürcher Reformators Zwingli. Dieser hatte nämlich demonstrativ ins Haus des Buchdruckers Christoph Froschauer geladen, zwei geräucherte Würste kleingeschnitten und unter den anwesenden Gästen verteilt.

Statue des Zürcher Reformators Ulrich (Huldrych) Zwingli.
Statue des Zürcher Reformators Ulrich (Huldrych) Zwingli. - Keystone

Mitgegessen habe Zwingli dann zwar doch nicht, aber zugeschaut und damit bezeugt, dass er von oberflächlichen Ritualen wie dem Fasten wenig hielt. Zwei Wochen später nahm Zwingli das Thema in einer Predigt «Von Erkiesen und Freiheit der Spiesen» wieder auf. Das Fastengebot, so Zwingli, sei eine menschliche Erfindung ohne Rechtfertigung in der Bibel. Gläubige Christen seien also frei, selber zu entscheiden, ob sie fasten möchten, oder nicht.

Eigenverantwortung statt blindem Glauben

In dieser kleinen Szene der Rebellion zeigt sich Zwinglis Freiheitsverständnis, dass den Glauben an Gott zwar als wichtig einstufte, aber nicht als allein selig machend. Jeder Mensch ist laut Zwingli für seine Taten, sein Schicksal und sein Leben selber verantwortlich.

Das Luther-Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg, Sachsen-Anhalt.
Das Luther-Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg, Sachsen-Anhalt. - Keystone

Zwei Jahre später liess Froschauer sich übrigens erneut von Zwingli einspannen und druckte die ersten Ausgaben der Zürcher Bibel. Die Bibelübersetzung auf Deutsch folgte erst der Übersetzung Luthers, überholte den deutschen Reformator dann aber und wurde von Zwingli und dem befreundeten Pfarrer Leo Jud drei Jahre vor der Lutherbibel fertig.

Die Zwingli-Wurst

Die Zwingli-Wurst übrigens gibt es bis heute, nach Originalrezept des Metzgers Frederico Liebermann. 1492 mischte dieser erstmals mageres Schweinefleisch, Speck, Rindfleisch, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Salz, Pfeffer und einen Schluck Toggenburger Schnaps.

Zwingli liess die beiden Würste in dünne Scheiben schneiden und unter den Gästen verteilen. Im 16. Jahrhundert eine Rebellion sondergleichen und mitunter der Beginn der Zürcher Reformation.
Zwingli liess die beiden Würste in dünne Scheiben schneiden und unter den Gästen verteilen. Im 16. Jahrhundert eine Rebellion sondergleichen und mitunter der Beginn der Zürcher Reformation. - Keystone

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