Kurzsichtigkeit vorbeugen – geht das?
Kurzsichtigkeit ist seit Jahren auf dem Vormarsch. Vielen Schulkindern fehlt ein scharfer Weitblick. Woran liegt das und was kann man dagegen tun?
Das Wichtigste in Kürze
- Wer viel im Nahbereich sieht und den Fernblick vernachlässigt, wird leichter kurzsichtig
- Auch wer viel Zeit in Innenräumen verbringt, ist leichter anfälliger für Myopie.
- Die Faustformel zum Vorbeugen ist einfach: öfter rausgehen, weniger Bildschirmzeit.
Zwei Stunden Mathe, zwei Stunden Englisch, nachmittags Informatikunterricht und zwischendurch Videos auf dem Smartphone anschauen. So oder so ähnlich gestaltet sich der Alltag vieler Schüler. All das soll Kurzsichtigkeit – in der Medizin Myopie genannt – begünstigen.
Ist Schule damit schlecht für die Augen? Professor Wolf Lagrèze, Experte für Augenheilkunde, erklärt, wieso Menschen kurzsichtig werden, wie man Kurzsichtigkeit erkennt und was vorbeugend dagegen getan werden kann.
Herr Lagrèze, macht Schule Kinder vermehrt kurzsichtig?
Es gibt in Europa einen Zusammenhang zwischen der Brechkraft der Augen und der Dauer der Ausbildung beziehungsweise dem Bildungsstand.
Daten aus England haben beispielsweise gezeigt, dass man im Mittel pro Jahr Schulbildung und weiterführender Ausbildung 0,3 Dioptrien kurzsichtiger wird.
Schule kann also einen Einfluss haben. Durch Tätigkeiten im Nahbereich – beispielsweise beim Lernen – wird viel auf kurze Distanz geschaut und somit der Fernblick vernachlässigt.
In den letzten circa 15 Jahren hat die Rate der Kurzsichtigkeit bei uns allerdings nicht sicher zugenommen. Nur bei Betrachtung von längeren Zeiträumen über mehrere Generationen findet man in Europa eine Zunahme.
Was sind die Ursachen für Kurzsichtigkeit?
Zum kleineren Teil Vererbung und zum grösseren Teil Umweltfaktoren. In anderen Teilen der Welt – beispielsweise in Asien – ist die Myopie-Rate mit teils über 80 Prozent deutlich höher als bei uns und hat in den letzten Jahrzehnten auch deutlich zugenommen.
Das hängt mit den dortigen Lebensumständen zusammen. In asiatischen Metropolen verbringen Kinder oftmals deutlich mehr Zeit in Innenräumen. Die genetische Veranlagung ist in diesem Fall somit eher untergeordnet, denn vor rund 60 Jahren waren die Myopie-Raten in Asien genauso wie bei uns.
Für Kurzsichtigkeit sind also vielmehr Umweltfaktoren verantwortlich: Tageslichtexposition und die Frage, ob man drinnen oder draussen ist. Also ich denke schon, dass das hauptsächlich mit dem «Lifestyle» zusammenhängt.
Wie finde ich heraus, ob mein Kind kurzsichtig ist, und was kann vorbeugend gegen Kurzsichtigkeit getan werden?
Das Einfachste ist, wenn man einen Vergleich hat. Also einen Erwachsenen beispielsweise, der weiss, dass er eine volle Sehschärfe hat.
Sagen wir, ich stehe gerade an einem Fenster und schaue auf einen Parkplatz, auf dem Autos parken. Die Nummernschilder kann ich gerade so erkennen. Da kann ich ja das Kind fragen: «Siehst du das auch?»
Und wenn das Kind die Nummernschilder nicht lesen kann, dann sollte man zum Augenarzt gehen – ganz einfach.
Prophylaktisch ist wichtig, dass wir ausreichend Tageslicht abbekommen. Mindestens zwei Stunden am Tag. Auch die Bildschirmzeit am Handy, Tablet oder Computer sollte man möglichst auf eine Stunde am Tag begrenzen.
Ausserdem sollte der Leseabstand nicht unter 30 Zentimeter sein.