Zu gesund leben? Wenn die Menstruation ausbleibt
Ein strikter Ernährungsplan, viel Sport: Das ist gesund, oder? Doch dann setzt die Regelblutung aus. Ein Phänomen mit Namen: hypothalamische Amenorrhö.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Ausbleiben der Menstruation unter Stress nennt man Hypothalamischer Amenorrhö.
- Sie tritt oft im Zusammenhang mit viel Sport, Ernährungsplänen und Perfektionismus auf.
- Hier ist eine Anpassung des Lebensstils vonnöten, um den ganzen Organismus zu heilen.
Wenn die Regelblutung auf sich warten lässt, bedeutet das nicht automatisch eine Schwangerschaft.
Das Ausbleiben der Menstruation – in der Medizin Amenorrhö genannt – kann auch mit dem Lebensstil zu tun haben. Und zwar mit einem, den der Körper als grossen Stress deutet.
Dann ist von Hypothalamischer Amenorrhö die Rede.
Was steckt hinter dem Wort «hypothalamisch»? Der Hypothalamus ist eine Art Regulationszentrum im Gehirn. Er steuert hormonelle Vorgänge und weitere Körperfunktionen.
So ist er etwa für die Stressregulation oder auch für das Hunger- und Sättigungsgefühl zuständig. Auch für den weiblichen Zyklus spielt er eine entscheidende Rolle.
Selbstschutz vor einer Schwangerschaft
«Bei einer hypothalamischen Amenorrhö nimmt der Hypothalamus so viel Stress wahr, dass er die Hormonproduktion im Körper so weit wie möglich herunterreguliert», sagt Julia Schultz.
Die Hormoncoachin hat sich für ein Buch mit hypothalamischer Amenorrhö und den Mechanismen dahinter beschäftigt.
«Meistens wird der Stress ausgelöst durch eine zu niedrige Kalorienzufuhr und zu viel Sport», sagt Schulz. Das bildet sich in den Hormonen ab: Stresshormone werden ausgeschüttet.
Der Spiegel an Hormonen, die im weiblichen Zyklus eine Schlüsselrolle spielen, ist hingegen oft sehr niedrig. Das betrifft zum Beispiel Östrogen und Progesteron.
Die Gynäkologin Mandy Mangler spricht von einer Art Selbstschutz des Körpers.
«In Zeiten von grossem Stress und – aus Sicht des Organismus – einer Nahrungsmittelknappheit kann der es natürlich überhaupt nicht gebrauchen, auch noch schwanger zu werden», so Mangler.
Deswegen verhindere der Körper das. Damit ist die Amenorrhö quasi eine Art Verhütungsmöglichkeit der Evolution.
Oft sind Essstörungen mit im Spiel
Betroffen sind vor allem sehr schlanke und sportliche Frauen, so die Beobachtung von Hormoncoachin Julia Schultz.
«Oft sind es junge Frauen, die nach Perfektion streben, es allen recht machen wollen, sich sehr damit beschäftigen, was andere über sie denken.»
Zum Lebensstil gehören bei Betroffenen oft ausgiebige Sporteinheiten und eine Ernährung nach strengen Regeln. Oft haben die Betroffenen Erfahrungen mit Essstörungen.
Es ist nicht nur das Ausbleiben der Regel
«Neben dem Ausbleiben der Periode kann es aufgrund des Progesteron- und Östrogenmangels zu weiteren Folgen kommen», sagt die Gynäkologin Mandy Mangler.
Das können Haarausfall, Osteoporose oder Schlafprobleme sein, aber auch ein ausgeprägtes Kälteempfinden oder ein unerfüllter Kinderwunsch.
Letzterer kann auch im «Vorstadium» der Amenorrhö der Fall sein. Betroffene haben dann zwar einen mehr oder weniger regelmässigen Zyklus mit Periode.
Der Eisprung bleibt aufgrund des Hormonungleichgewichts aber aus. Zu einer Schwangerschaft kommt es dann nicht.
An den richtigen Stellschrauben drehen
Wie finden Betroffene zu ihrer Regelblutung zurück? Laut Mangler ist eine erste und wichtige Massnahme, die Intensität des Sports zurückzuschrauben.
Hier zählt Ehrlichkeit gegenüber sich selbst: Wie lange treibe ich jeden Tag Sport? Wie intensiv? Lässt sich das vielleicht auf 30 Minuten moderate Bewegung am Tag runterregeln?
Manchmal reiche das schon aus. Oft helfe es Betroffenen aber, zusätzlich mehr Kalorien zu sich zu nehmen, um die Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen, so Mangler.
Richtig gut essen
«Bei der Ernährung ist regelmässiges Essen unabdinglich», sagt die Hormoncoachin Julia Schultz. «Es ist sehr wichtig, keine Mahlzeiten auszulassen.»
Anstatt viel Salat zu essen, setzt man besser auf Mahlzeiten «mit Substanz», in denen Fette und Kohlenhydrate stecken.
Wichtig sei laut Mangler auch, den Betroffenen verständlich zu machen, dass ein längeres Ausbleiben der Regelblutung Folgen für den Organismus haben könne. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, den Lebensstil anzupassen.
Und dafür kann es sinnvoll sein, sich medizinische oder psychologische Hilfe zu holen. Vor allem dann, wenn tatsächlich eine Essstörung im Spiel ist.