Warum trinken Veganer eigentlich keine Milch?
Wer vegan ist, möchte nicht, dass für den eigenen Konsum Tiere getötet werden. Doch für Milch werden doch keine Kühe getötet. Was ist also das Problem?
Das Wichtigste in Kürze
- Veganer konsumieren aus ethischen Gründen keine Milchprodukte.
- Die Tiere werden nicht entsprechend ihrer Bedürfnisse gehalten.
- Damit Kühe Milch geben, müssen sie kontinuierlich trächtig gehalten werden.
- Nach sechs Jahren werden die Tiere geschlachtet – bei einer Lebenserwartung von 20 Jahren.
Warum trinken Veganer keine Milch? Immerhin stirbt bei der Milchproduktion kein Tier. Die Kühe leben entspannt in ihren Ställen und auf der Weide. Durch das Melken tun wir den Kühen sogar etwas Gutes, da sonst ihre vollen Euter Schmerzen bereiten würden.
So sieht die Vorstellung über die Milchproduktion in vielen Köpfen aus. Die Realität ist aber eine andere und der Grund, weshalb Veganer keine Milchprodukte konsumieren.
Enge Ställe statt Freilauf
Achten Sie einmal darauf, wie viele Rinder Sie frei herumlaufen sehen? In der Schweiz gibt es 1,5 Millionen Rinder, davon sind 680'600 Kühe. Das ist eine ziemlich hohe Anzahl auf einer kleinen Fläche.
Es ist klar, dass diese Anzahl Tiere nur in einer Weise gehalten werden können, in der sie den minimal notwendigen Platz beanspruchen. Von einer grünen Wiese kann die überwältigende Mehrheit dieser Tiere nur träumen.
Wenn sie die Möglichkeit hätten, würden Kühe zudem täglich mehrere Kilometer für die Nahrungsaufnahme laufen. In der Nutztierhaltung können diese Bedürfnisse schlicht nicht befriedigt werden.
Aufzucht männlicher Kälbchen lohnt sich nicht
Es ist auch wichtig zu unterscheiden, dass in der industrialisierten Landwirtschaft für die Milch- und Fleischindustrie unterschiedliche Rassen eingesetzt werden. Die Milchkuh wurde hochgezüchtet, um möglichst viel Milch zu geben. Die Tiere für die Fleischproduktion hingegen sollen möglichst viel und schnell Fleisch ansetzen.
Der Leistungsdruck in der Landwirtschaft ist hoch. Die männlichen Kälbchen der Milchkuhrasse geben keine Milch und legen aufgrund der Züchtung nicht schnell genug Fleisch an. Sie werden maximal vier Monate gemästet und danach schon geschlachtet. Sie sind finanziell kaum rentabel.
In vielen Ländern werden die Stierkälbchen direkt nach der Geburt entsorgt. Sie sind wirtschaftlich wertlos. In der Schweiz gilt zwar offiziell, dass Kälber frühestens im Alter von sieben Tagen geschlachtet werden dürfen. Dem Schweizerischen Tierschutz STS liegen aber auffällige Indizien für Stierkälbchentötung und -vernachlässigung vor.
Kühe müssen dauerhaft trächtig sein
Damit die Milchkuh konstant Milch gibt, muss sie stetig trächtig sein. Denn wie bei Menschen, ist die Milchproduktion nach der Geburt am höchsten und nimmt dann stetig ab. Damit die Kuh also kontinuierlich Milch liefert, wird sie, nachdem sie ein Kalb geboren hat, nach zwei bis drei Monaten wieder künstlich besamt.
Lässt ihre Leistung nach, wird sie wertlos und deshalb getötet. Bei Milchkühen tritt das in der Regel nach spätestens sechs Jahren ein –bei einer Lebensdauer von sonst 20 bis 30 Jahren.
Kälber werden von ihren Müttern getrennt
Die neugeborenen Kälbchen dürfen die Milch der Mutter nicht trinken, dann sie ist ja für den Menschen bestimmt. Sie kriegen nur in den ersten Stunden Muttermilch (Biestmilch), werden dann aber von der Mutter getrennt und in sogenannte Kälberiglus gesteckt.
Hier werden sie mit Muttermilchersatz gefüttert. Kälbchen sind sehr aufgeweckte, neugierige und spielerische Wesen. Ihren natürlichen Trieb können sie so nicht ausleben – und das ist auch das Ziel dieser Haltung.
Natürliches Verhalten kann nicht ausgedrückt werden
Kühe sind intelligente und soziale Tiere. Sie bilden Familienverbände. Die Bindung zwischen der Mutterkuh und ihrem Kalb ist besonders stark. Die Kuh ruft noch Stunden nach dem Nachwuchs, nachdem er ihr weggenommen wurde.
Wenn sie könnte, würde sie den Nachwuchs intensiv pflegen, ernähren und vor Gefahren beschützen. Die enge Mutter-Kind-Bindung bricht nie ganz ab.
Gängige Praxis in der Milchwirtschaft
Egal ob man nun Bio-Milch trinkt oder nur jene vom Bauer um die Ecke. Dies sind Vorgänge in der Milchwirtschaft, die unabhängig des Labels gängige Praxis sind.
Manche Betriebe erlauben allerdings die Mutterkuhhaltung. Dabei können die Kälbchen einige Monate bei der Mutter verweilen – bevor sie dann selbst in das System Milch eingegliedert werden. Auch gibt es sogenannte Zweinutzungsrinder, die sich sowohl für Milch- als auch die Fleischproduktion eignen.
Die Stierkälbchen werden allerdings trotzdem im Alter von fünf bis 20 Monaten zum Schlachter gebracht. Ob das wirklich eine Verbesserung ist?
Veganer verzichten also nicht nur auf gewisse Produkte, weil sie das Töten von Tieren vermeiden wollen. Mit ihrem Verzicht wollen sie auch unnötiges Tierleid verringern.
Und, dass es in der heutigen Landwirtschaft zu Tierleid kommt, Tiere nicht artgerecht gehalten werden und viel zu früh sterben müssen, zeigt das Beispiel Milch auf anschauliche Weise.
Nau Vegan
Im Rahmen der Serie «Nau Vegan» schreibt Mirjam Walser Beiträge zum Thema Veganismus. Als Gründerin der Vegan Business School und langjährige Veganerin ist sie Expertin für Veganismus und den veganen Markt.