Reichen meine Finanzen bald für Immobilien?
Gehen die Immobilienpreise den Bach runter? Unwahrscheinlich. Die Abschläge bei Immobilienfonds und -aktien könnten interessante Einstiegschancen darstellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die über 20-jährige Phase pausenlos steigender Immobilienpreise ist vorbei.
- Viele Immobilienaktien und -fonds notieren unter ihren Nettoinventarwerten.
- Wer langfristig orientiert ist, kann mit Discount in Immobilien einsteigen.
Stahl, Glas, Beton: Das Quartier «The Circle» am Flughafen Zürich, Jahrgang 2020, ist ein Sinnbild für eine über 20-jährigen Phase tiefer Zinsen und steigender Immobilienpreise. Da brauchte es kaum Argumente, um Investoren von Bauprojekten zu überzeugen. Ist diese goldene Ära jetzt zu Ende?
«Die Immobilienpreise fallen», alarmierte die «NZZ» kürzlich. Gemäss Fahrländer Partner sind die Marktwerte von Mehrfamilienhäusern in der Schweiz im 1. Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 12,1 Prozent gesunken. Die Studie verrät allerdings nicht, wie viele Objekte sie untersuchte – und in welchem Zustand diese waren.
Betongold bleibt interessant
Wir haben darum Prof. Dr. Donato Scognamiglio, Mitgründer und CEO der Immobilienberatungsfirma IAZI, nach seiner Sicht auf die Finanzen gefragt. Er relativiert: «Die steigenden Zinsen kühlen den Boom rund um das Betongold ab. Aufgrund der Zuwanderung, der Wohnungsknappheit und den bald steigenden Mieten ist in Zentren aber nicht mit grösseren Preiseinbrüchen zu rechnen. Langfristig dürften Immobilien interessant bleiben.»
Vereinfacht gesagt, kann man auf drei Arten in Immobilien investieren: 1.) direkt, indem man etwa ein Eigenheim erwirbt, 2.) über eine börsenkotierte Immobiliengesellschaft, auch Immobilienaktie genannt, oder 3.) über einen Immobilienfonds.
Bessere Zeiten für Kaufinteressenten?
«Ein Haus in Zürich kann man sich nicht einmal mit einem Bundesratslohn leisten», meint Scognamiglio. 60 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung sind Mieter – und müssen es somit wohl bleiben.
Wer schon ein Eigenheim besitzt, sollte trotz Zinswende nicht in Panik geraten. Die Hypothek zu erneuern, wird zwar teurer. Doch wir sind noch relativ weit weg vom kalkulatorischen Zinssatz von fünf Prozent, mit dem Banken die Tragbarkeit der Hypothek berechnet haben.
Besser sieht es für Kaufinteressenten aus. «Die Chancen auf günstigere Eigenheimpreise stehen höher als noch vor zwei Jahren», meint Scognamiglio, «denn es kommen mehr Objekte auf den Markt.» Auch Mehrfamilienhäuser könnten etwas erschwinglicher werden.
Immobilien fürs kleinere Portemonnaie
Spannende Perspektiven zeichnen sich auch für alle mit engerem Budget ab. Sie können Aktien von einer der 17 Immobiliengesellschaften wie etwa Swiss Prime Site und PSP Swiss Property kaufen. Damit beteiligen sie sich an einem Immobilienportfolio, das sich jederzeit wieder zu Geld machen lässt.
«Die Wertentwicklung hängt oft mehr von der Börse als vom Immobilienmarkt ab», erklärt Scognamiglio. So stürzten diese Titel beispielsweise am Anfang der Covid-Pandemie ab, während der Immobilientransaktionsmarkt aufwärts tendierte.
Genau solche psychologischen Effekte kann man sich auch zunutze machen. Die meisten Immobilienaktien kosten Anfang Mai (gemäss Immobilienliste von MV Invest) an der Börse weniger als ihr Nettoinventarwert (Net Asset Value). SF Urban Properties taucht sogar 26 Prozent darunter, Seniorresidenz 23 Prozent.
Auf Aufschwung setzen
Dasselbe Phänomen eines Abschlags lässt sich bei einigen Immobilienfonds beobachten. Wobei vor allem Fonds, die auf Geschäfts- und Gewerbeimmobilien fokussieren wie der Helvetica Swiss Commercial (minus 23 Prozent), unter die Räder gekommen sind. Anders als Immobilienaktien bieten Fonds einen gewissen Anlegerschutz.
«The circle» pulsiert voller Leben, aber wir schliessen den Kreis: Immobilienaktien und -fonds haben stärker an Wert verloren als reale Überbauungen. Wer einen langen Atem hat, sollte einen Blick darauf werfen. Das Potenzial für einen Aufschwung ist gross.
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Zum Interviewpartner:
Stephan Lehmann-Maldonado bringt zwei seiner Steckenpferde zusammen: die Faszination fürs Wirtschaftsgeschehen und jene für klare Kommunikation. Schon während seines Finance-Studiums an der Universität Zürich hat er für Wirtschaftsmedien geschrieben und später sein Wissen in der Bankpraxis und beim Unterrichten von Lernenden vertieft. Heute führt er eine kleine Kommunikationsagentur.