Christian Bale glänzt in Vice als US-Vize Dick Cheney
Der Biopic «Vice - Der zweite Mann» überzeugt dankt einem guten Cast. Die Filmemacher hätten aber mutiger sein dürfen.
Das Wichtigste in Kürze
- «Vice» ist soeben in der Deutschschweiz angelaufen.
- Der Biopic ist für acht Oscars nominiert, Hauptdarsteller Christian Bale hat gute Chancen.
Für einen kurzen Moment hält Dick Cheney inne. Angespannt warten Zuschauer und Protagonisten auf eine Reaktion. Kündigt der Machtmensch Cheney seiner Tochter aus politischem Kalkül die Liebe?
In diesem Moment brilliert «Vice». Der harmonierende Cast macht das Comedy-Drama über den Aufstieg Dick Cheneys erst richtig sehenswert. Grandios übernimmt ein kühler, kaum wiederzuerkennender Christian Bale die Hauptrolle. Auch Amy Adams als ehrgeizige Lynne Cheney überzeugt, genauso wie Sam Rockwell als George W. Bush.
Mit «Vice – Der zweite Mann» wagt sich Regisseur Adam McKay zum zweiten Mal an ernstes Material heran. Vorgängerfilm «The Big Short» war ein wütender Kommentar zur letzen Wirtschafts- und Bankenkrise. Überspitzt und überdreht, komisch und lehrreich.
Ehrliches Drehbuch
Die selbe Formel überstülpt McKay dem Biopic über den US-Vizepräsidenten der zweiten Bush-Ära. Das klappt hervorragend. Etwa bei der Restaurant-Szene, wo sich Cheney und seine Entourage die Spezialitäten des Hauses vorlesen lassen – Menschenrechte aushebeln, Folter und Geheimtipp Guantánamo Bay – ist erstklassige Satire.
Das Script ist ehrlich, was dem Zuschauer gleich zu Beginn klar gemacht wird. Die Geschichte sei so wahr wie möglich, heisst es im Vorspann. Und der Erzähler weist ständig drauf hin, dass er eben doch nicht alles weiss. Weil viele Details unbekannt sind, spielen die Cheneys auch mal Shakespeare nach. Trotzdem wird «Vice» nie unglaubwürdig. Auch, weil McKay die Geschichte detailliert nacherzählt.
Manches Detail ist dann zu viel. McKay geht weit in Cheneys Vergangenheit zurück, statt sich auf die Zeit im Weissen Haus zu fokussieren. Bei einem typischen Biopic mag die Erzählweise üblich sein, doch «Vice» hätte die Geschichte radikaler erzählen dürfen. War «The Big Short» eine wilde Achterbahnfahrt, so ist «Vice» oft nur ein Ritt auf einer holprigen Landstrasse.
Mehr Mut hätte Vice gutgetan
Gewiss, der Stoff des machtbesessenen und kriegstreibenden Politikers ist düster. Cheneys Entscheide haben die Welt nachhaltig verändert, in den Augen vieler nicht positiv. Gerade deshalb hätte «Vice» mutiger sein können, und klarer Stellung nehmen dürfen. So wie in der Restaurant-Szene.
Hauptdarsteller Christian Bale dankte während den Golden Globes Satan für die «Inspiration, diese Rolle zu spielen.» Doch der frühere US-Vize wird nicht diabolisiert, sondern durch und durch menschlich dargestellt: Mit schwachem Herz, als entspannter Fischer und – grösstenteils – liebevoller Vater. Wie es sich für ein typisches Biopic gehört.
Für acht Oscars ist der Streifen nominiert, Bale hat sein goldenes Männchen fast auf sicher. Für den besten Film dürfte es nicht reichen. Dafür ist «Vice» schlicht zu konventionell.