Bierwandern in Bayern: Ein Prosit auf die Einsamkeit
Das Wichtigste in Kürze
- In Bayern gibt es Deutschlands ersten Bierfernwanderweg.
- Die Länge führt 109 Kilometer und 2836 Höhenmetern durch den Bayerischen Wald.
- Mehrere Brauereien und Gaststätten bieten an ausgewählten Orten ihr Bier an.
Fern von Dörfern und Strassen zieht sich der Pfad über Wurzeln und moosbesetzte Steine. Die Blätterdächer sieben Lichtflecken aus den Sonnenstrahlen. Gräser streifen an den Beinen entlang.
Ein Baum ist mit Zunderschwämmen übersät – einer Pilzart, die einst als Brennmaterial zum Anheizen diente.
Der Anstieg auf den Kronberg im Bayerischen Wald treibt den Schweiss ins Shirt und auf die Stirn. Die Spitze kratzt an der Tausend-Meter-Marke, umzogen von dichtem Forst.
Der Lohn des Aufstiegs ist die Stille – und kein lärmiges Wirtshaus. Im Gegenteil: Weit und breit ist jetzt und hier auf dem Bierfernwanderweg kein Bier in Sicht.
Es sei denn, man hat eins als Proviant in den Rucksack gepackt. Erst beim Abstieg hat die Durststrecke auf der Gutsalm Harlachberg ein Ende.
109 Kilometer, sechs Etappen
Aber nur keine Sorge vor Etikettenschwindel. Natürlich fliesst auf «Deutschlands erstem Bierfernwanderweg», wie ihn das Tourismusbüro des Arberlands bewirbt, reichlich Bier.
Nur eben nicht überall. Acht Brauereien nebst Biergärten und anderen Lokalen entfallen auf die Kernrunde, die auf einer Länge von 109 Kilometern und 2836 Höhenmetern durch den Bayerischen Wald führt.
Eingeteilt ist der Rundweg ab Viechtach in sechs Etappen, wobei man ebenso gut in Zwiesel oder Regen einsteigen kann. Hinzu kommen zwei Zusatztouren ab Zwiesel, zu denen man per Bahn gelangt.
Der Bierfernwanderweg, der vorhandene Wanderstrecken miteinander kombiniert, ist in dieser Form neu. Pandemiebedingt ist er aber nie feierlich vor Ort eröffnet worden, sondern lediglich digital.
Starten Sie also unbedingt mit einem Download von Karte und Wegbeschreibung aufs Smartphone. Sich nur auf aufgeklebte Hopfensymbole entlang des Weges zu verlassen, funktioniert (noch) nicht. Die Beschilderung unterwegs ist mitunter schlecht.
Craft-Biere aus der Region
Im Etappenort Zwiesel blickt die Dampfbierbrauerei auf eine lange Tradition zurück - auch wenn sie inzwischen alleine da steht. Im 19. Jahrhundert gab es in dem niederbayerischen Städtchen über ein Dutzend Brauereien. Heute ist dies die letzte im Ort.
Dieter Pfeffer ist Seniorchef der familiär geführten Brauerei und vertritt sein Produkt mit Selbstbewusstsein. «Wir wollen ein Kontrast zu den Grossen auf dem Markt sein.» Den Trinkgenuss sieht Pfeffer als persönliches Erlebnis mit Geschichte: «Hier spüre ich die Region.»
Ihm habe es «gestunken», sagt der Brauerei-Seniorchef, dass die Presse oft genug von Craft-Bieren aus Amerika geschwärmt habe, deren Hype hinüberschwappte – wo Vergleichbares doch gleich bei ihnen und anderen ohne lange Lieferwege entstehe.
Braumeister mit «Fremdbierallergie»
In dieselbe Kerbe schlägt Frank Reuter. Er ist Braumeister bei Adam Bräu in Bodenmais, wo ein anspruchsvolles Stück des Fernwanderwegs hinauf zum Berg Hennenkobel beginnt.
«In kleinen Brauereien in Bayern wurden schon immer Craft-Biere gemacht», sagt Reuter. Ihn reize es, «Rezepte von früher wieder aktuell zu machen».
Ehrensache, dass der 54-Jährige jeden Tag Bier trinkt. «Am liebsten ein Helles und immer das eigene. Ich habe nämlich eine Fremdbierallergie», sagt Reuter und lacht.
Miniaturen der Natur
Der Bierfernwanderweg verläuft vielerorts abseits ausgetretener Pfade. Die Frischluft ist Wellness für Seele und Lungen. Gleichzeitig schärfen sich Schritt für Schritt die Blicke für Miniaturen der Natur. Das Allerkleinste gewinnt an Grösse.
Wann hat man inmitten medialer Reizüberflutung zuletzt auf Maserungen von Baumrinden geachtet, Symmetrien von Brennnesselblättern, das leuchtende Grün von Farnen im Gegenlicht? Es muss nicht immer spektakulär zugehen.
Natürlicher Bier-Kühlschrank
Ein Erlebnis ist eine Führung durch die historischen Bier- und Eiskeller in Regen. Die waren lange verschüttet und vergessen. Die Postkellerfreunde haben sie wiederbelebt.
Sigrid Schiller-Bauer zählt zu ihnen. Ehrenamtlich hilft die 51-Jährige mit, das Kulturgut vor der eigenen Haustür zu erhalten.
«Ausser Bier wurden früher bei idealer Kühlschranktemperatur auch Produkte wie Fleisch, Wurst, Lauch und Mohrrüben gelagert», erzählt sie. Dabei steht ihr bei acht Grad Celsius der Eishauch vor dem Mund. Lichteffekte und Infotafeln vertiefen das Erleben im Untergrund.
Krönender Abschluss ist eine Bierkostprobe, draussen in der Hütte der Postkellerfreunde. Spruchtafeln zieren die Holzwände. Auf einer steht: «Im Himmel gibt's kein Bier, drum trinken wir es hier.»