Chile: Zu Besuch bei den «Türmen des blauen Himmels» (2)
Mächtige Felsformationen geben dem chilenischen Nationalpark seinen Namen «Türme des blauen Himmels». Ein Besuch im chilenischen Postkartenmotiv schlechthin.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Süden Chiles liegt der 2400 Quadratkikometer grosse Nationalpark Torres del Paine.
- Drei mächtige Granitnadeln – «Türme des blauen Himmels» – sind dessen Wahrzeichen.
- Besucher können zwischen einem 70 km und einem 130 km langen Rundweg wählen.
- Felsen, Gletscher, Lawinen und Pisco mit Eis aus der Region sind Highlights unterwegs.
Weit unten in Südamerika, im chilenischen Teil Patagoniens, befindet sich der Nationalpark Torres del Paine, übersetzt: «Türme des blauen Himmels».
Die drei gewaltigen, bis zu knapp 3000 Meter hohen Granitnadeln, die dem Nationalpark ihren Namen geben, sind dessen Wahrzeichen.
Der Park erstreckt sich über eine Fläche von gut 2400 Quadratkilometern. Seine wilde Landschaft ist geprägt von türkisblauen Seen, unberührten Laubwäldern, verschneiten Bergen, Fjorden, reissenden Flüssen, Wasserfällen und Gletschern.
Wanderer und andere Abenteuer-Freunde, unter ihnen heute Natalia Gómez und Camila Espinoza, müssen hier am Besucherzentrum zwischen «O» und «W» wählen.
«O» ist ein 130 Kilometer langer Rundweg, bei dem in acht Tagen bis zu 4500 Höhenmeter überwunden werden müssen. Die Pfade sind einsam und fernab jeglicher Zivilisation mit wenigen Schutzhütten. Verpflegung und Zelt muss man mitnehmen.
Die beiden Krankenschwestern aus der Hauptstadt Santiago de Chile wählen deshalb die einfachere «W»-Route.
Sie ist 70 Kilometer lang, 2500 Höhenmeter sind in vier Tagen zu überwinden. Auf dieser Strecke befinden sich mondäne Hotels, Schutzhütten und Campingplätze mit Vollpension, weshalb kein Proviant mitgeschleppt werden muss.
Anstrengender Weg zum Postkarten-Panorama
Die erste Tagesetappe hat es gleich in sich. Doch sie lohnt sich, denn sie führt zu dem chilenischen Postkartenmotiv schlechthin.
Bis zum Aussichtspunkt Mirador de Las Torres am Gletschersee unterhalb der ikonischen Torres del Paine-Felsen geht es gut neun Kilometer permanent bergauf, fast 1200 Höhenmeter.
Die meisten stehen schon früh auf, um die weltberühmten schmalen Felstürme beim Sonnenaufgang im orangen Licht zu sehen.
Doch Natalia und Camila wollen es ruhig angehen. «Als Krankenschwestern haben wir zwei harte Corona-Jahre hinter uns. Wir wollen dieses Naturwunder hier entspannt geniessen», sagt Natalia.
Die Granitnadeln entstanden vor mehr als zehn Millionen Jahren. Dann formten eiszeitliche Gletscher die Felstürme, über deren Spitzen nicht selten Andenkondore ihre Runde drehen.
«Allein für diesen Anblick hat sich die Reise nach Patagonien schon gelohnt», sagt Camila. Am Abend fallen die beiden Krankenschwestern erschöpft, aber glücklich in ihr Etagenbett.
Am nächsten Tag geht es ohne grössere Steigungen durch eine Hügellandschaft den fast schon kitschig schönen Nordenskjöld-See entlang.
Rechts des Sees fallen unzählige Wasserfälle von den steilen Schrägwänden des noch darüberliegenden Cuernos-Felsmassivs. Es trägt den Namen wegen der Hörner-Form der Gipfel und muss sich in Sachen optischer Wucht nicht vor den Torres del Paine verstecken.
Ein bedrohliches Donnern
Am dritten Tag heisst es früh aufstehen. Feuerrot begrüsst der Morgenhimmel.
Nach einem einstündigen Marsch stellen wir die schweren Rucksäcke im «italienischen Camp» (Campamento Italiano) ab, um nur mit einem Tagesrucksack zum Aussichtspunkt Mirador Británico zu wandern. Drei Stunden geht es hoch und drei Stunden runter.
Bedrohlich schallt ein gewaltiges Donnern durch die dunklen Laubwälder. Kein aufziehendes Gewitter, sondern Lawinen, die vom auf den Bergkuppen ruhenden Gletscher abstürzen.
Immer wieder, fast im Zehn-Minuten-Takt, rutschen gewaltige Schneemassen die Steilwände hinab und vermischen sich mit den Wasserfällen.
Der Himmel über dem Kessel des Vallée del Francés zieht sich bedrohlich zu. Der Aufstieg wird in einem Geröllfeld schliesslich zur Kletterpartie. Doch oben angekommen sind all die Mühen vergessen.
Die Bergkulisse mit dem Cuernos-Massiv ist wie aus einem Bilderbuch. Man thront über dem unendlich erscheinenden patagonischen Urwald.
Gewaltige Gletscherzungen
Die letzte Tagesetappe ist im Vergleich zum Vortag ein Kinderspiel. Nur vier Stunden Laufzeit. Doch das schafft niemand. Wie auch, wenn auf dem See des Grey-Gletschers immer mehr knallblaue Eisschollen angeschwommen kommen, die alle bewundert werden müssen.
Schliesslich steht man vor einer gewaltigen Eiswand. Die Gletscherzunge gehört zum südpatagonischen Eisfeld, der grössten Eisfläche auf der Südhalbkugel ausserhalb der Antarktis. Allein der Grey-Gletscher ist 28 Kilometer lang.
Vom Grey-Campingplatz aus kann man das Ausflugsboot zum Hotel Lago Grey nehmen. Hier stehen Shuttlebusse nach Puerto Natales bereit.
Das Boot fährt an den gewaltigen Eismauern vorbei, die man aus nächster Nähe mit einem chilenischen Pisco Sour in der Hand bestaunen kann. Ehrensache, dass der Cocktail auf Basis des chilenischen Nationalgetränks hier mit Gletschereis serviert wird.