Euganeische Hügel: Im antiken Speckgürtel Venedigs
Heisse Quellen und protzige Villen: Das sind die Euganeischen Hügel in Venetien. Die Gegend lohnt mehr als nur einen Tagestrip aus der Lagunenstadt.
Das Wichtigste in Kürze
- Das grüne Hinterland Venedigs bot schon im 12. Jahrhundert den Städtern Schutz vor Hitze.
- Noch heute kann dort man historische Villen, alte Brücken und andere Bauten bestaunen.
- Die Euganeischen Hügel in der Po-Ebene sind ein Muss für Wanderer und Velofahrer.
- Heilquellen und Schlamm vulkanischen Ursprungs sind eine Wohltat für müde Waden.
Still und verlassen liegt das Diana-Tor da, seiner ursprünglichen Aufgabe beraubt. Schon lange legen hier keine festlich illuminierten Barken mehr an den blau-weiss geringelten Stangen an und über die niedrigen Stufen des Eingangsportals der Villa Barbarigo schreiten keine Honorationen in prächtigen Gewändern.
Der Zahn der Zeit knabbert an Säulen und Balustraden, an Statuen und Wappenschilden der Villa in Galzignano Terme in Venetien, eine knappe Autostunde südwestlich von Venedig.
Der Zauber des Vergänglichen liegt auch über dem kunstvoll angelegten Garten von Valsanzibio, der sich vor der Villa erstreckt, mit seinen Wasserläufen und Fischteichen, Fontänen und Brunnen.
Laut seinem Planer, dem Vatikan-Architekten Luigi Bernini, soll der im 17. Jahrhundert angelegte Garten den spirituellen Weg des Menschen bis zu seiner Läuterung und Erlösung symbolisieren. Die Buchs-Hecke des Labyrinths ist noch heute akkurat gestutzt wie eh und je.
Die noble Villa mit dem kreisrunden «Springbrunnen der Verzückung» auf dem Vorplatz strahlt in zartem Rot und Gelb.
Nur der Kanal, über den die Boote mit der erwartungsvollen Festgesellschaft einst schipperten, ist verschwunden. Im winzigen See zu Füssen des Diana-Tores tummeln sich jetzt Schildkröten und Reiher.
Zufluchtsort für reiche Patrizier
Der Komplex vermarktet sich heute als «kleines Versailles» und als «Perle der Euganeischen Hügel». Für die reichen Patrizier von Venedig waren die Hügel einst Zufluchtsort und Showroom zugleich.
Wenn die Sommerhitze das Leben in der Lagunenstadt unerträglich machte, flüchtete die noble Gesellschaft in das grüne Hügelland, wo man sich feudale Landgüter auf riesigen Grundstücken errichten liess.
Bereits im späten 12. Jahrhundert war der Canale Battaglia ausgehoben worden. Er ist Teil eines umfangreichen Kanalsystems, das bis heute Venedig mit Padua verbindet.
Künstler und Kaufleute befuhren das Gewässer, wo sich Prachtbauten wie das Castello del Catajo mit seinen freskenverzierten Sälen oder die Villa Molin aufreihen.
Noch immer sind die historischen Brücken, die alten Schleusen, die bunten, dem Kanal zugewandten Häuser von Battaglia Terme oder die Treidelpfade der Zugtiere zu sehen.
Heute rollen Velofahrer über die Dämme des schnurgeraden Kanals. Ihr Ziel: der gut 60 Kilometer lange «Ring der Euganeischen Hügel», der abgesehen von einem kurzen Anstieg am Monte Sereo ziemlich kräfteschonend um die Colli Euganei – wie die Hügel auf Italienisch heissen – herumführt.
Kegelförmige Lavahügel von überschaubarer Höhe
Wie überdimensionale Maulwurfshügel ragen die Euganeischen Hügel völlig unvermittelt aus der flachen Po-Ebene heraus.
Vor 30 bis 40 Millionen Jahren erstreckte sich in dieser Gegend zwischen Alpen und Apennin eine Meeresbucht. Vulkanausbrüche erschütterten das Land, und nach jeder Eruption blieb ein Lavahügel zurück.
Selbst Wohlmeinende werden die kegelförmigen Erhebungen kaum als Berge bezeichnen – der Monte Venda mit seiner trockenen, sonnigen Südseite und der feuchteren Nordseite bringt es auf rund 600 Meter, seine Nachbarn geben sich bescheiden mit 200, 300 Meter zufrieden.
Doch für Wanderer und Velofahrer ist der 1989 ausgewiesene «Parco Regionale dei Colli Euganei» eine endlose Spielwiese.
Sie stiefeln zur ehemaligen Franziskaner-Einsiedelei Santa Domenica, von wo der Blick über die Po-Ebene schweift. Sie wagen sich an den 41 Kilometer langen Höhenweg mit seinen stattlichen 2000 Höhenmetern. Oder sie steigen zur Abwechslung aufs E-Bike, um die schmalen, kurvenreichen Strassen zwischen den Hügeln abzustrampeln.
Morgens Fango, abends Tango
Wer in die Euganeischen Hügel reist, hat oft sein körperliches Wohlbefinden im Sinn. Die heissen Heilquellen und der Mineralschlamm vulkanischen Ursprungs machen den Landstrich zu einem der grössten Kurzentren Europas, mit Abano Terme und Montegrotto Terme als Aushängeschildern.
Gesundheitsbewusste lassen sich hier heissen Fango-Matsch auf verspannte Muskeln und malträtierte Gelenke packen.
Eine Schönheit sind sie nicht, die beiden Schwestergemeinden Abano Terme und Montegrotto Terme. Nach dem Zweiten Weltkrieg schossen die Hotels hier wie Pilze aus dem Boden, reichlich planlos und meist ohne jeglichen architektonischen Anspruch.
Weit mehr als 100 Hotels waren es zu den Hochzeiten, die dank staatlichen Kurwesens kaum Leerstand hatten. Der Slogan «Morgens Fango, abends Tango» kommt von hier.
Doch die weitaus preiswertere Konkurrenz in Tschechien, Polen und Ungarn sowie Einschnitte im italienischen Gesundheitswesen machen den Bädergemeinden inzwischen das Leben schwer.
Die Auswirkungen für das Thermalzentrum der Euganeischen Hügel sind unübersehbar.
Wer durch die Strassen von Abano und Montegrotto schlendert, blickt auf blätternden Putz, auf leere Fensterhöhlen und auf trostlose Hotelruinen inmitten wild wuchernder Vegetation. Auffälligstes Beispiel für den Niedergang: das Grand Hotel Orologio.
In dem schönen Gebäude mitten in der Fussgängerzone von Abano traf sich einst die feine Gesellschaft unter prunkvollen Kristalllüstern und wiegte sich im Walzertakt.
Nun steht das Grand Hotel schon seit Jahren leer und vergammelt zusehends. Sein allenfalls morbider Charme – ein Kontrastprogramm zum sonstigen Liebreiz der Colli Euganei.