Victoria & Albert Museum weckt Hoffnung im schottischen Dundee
Das V&A Dundee, die erste Aussenstelle des weltberühmten Londoner Victoria & Albert-Museums überhaupt, wird an diesem Samstag eröffnet.
Das Wichtigste in Kürze
- Die erste Aussenstelle des Londoner Victoria & Albert-Museums wird in Dundee eröffnet.
- Es wurde für umgerechnet rund 100 Millionen Franken erbaut.
Was das Guggenheim für Bilbao war, könnte nun die weltweit erste Aussenstelle des Victoria & Albert Museum (V&A) für Dundee werden. Doch der japanische Architekt hat mit seinem spektakulären Entwurf etwas völlig anderes im Sinn.
Wie ein riesiger Schiffsrumpf scheint das V&A Dundee aus dem Wasser zu ragen. Grau in grau, wie die Felsklippen der nahen Nordseeküste, fügen sich Tausende von Steinplatten in Wellenform zu einem Ganzen zusammen: Fensterschlitze und Bullaugen bündeln Sonne, Licht und Blicke aufs Wasser.
Das V&A Dundee, die erste Aussenstelle des weltberühmten Londoner Victoria & Albert-Museums überhaupt, wird an diesem Samstag (15.9.) eröffnet. Es wurde für 81,1 Millionen Pfund (rund 100 Millionen Franken) nach den Plänen des japanischen Architekten Kengo Kuma erbaut.
Durchgang zum Licht
Kuma liess sich nach eigenen Angaben von der Geschichte Dundees und den Klippen inspirieren. Der 64-jährige, der das Stadion für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 erbaut, gilt als Meister der Verbindung von Natur und Architektur. Sein erstes Projekt in Grossbritannien soll «wie ein Wohnzimmer» die Menschen mit ihrer Stadt und ihrer Geschichte verbinden. Die japanische Assoziation liegt nicht weit: Das V&A Dundee sei das «Tor zum Meer», sagt er. «Es hat dieselbe Funktion wie ein japanischer Schrein.»
Die Funktion eines Durchgangs zum Licht wird in Dundee damit erreicht, dass die beiden Gebäudeteile in der Form kopfstehender Pyramiden am Boden einen Zugang zum Fluss Tay freilassen und sich erst auf der ersten Etage vereinen. Der «Bugüberhang», heisst es im nautischen Jargon, beträgt an seiner längsten Stelle fast 20 Meter.
Im riesigen, mit Eichenholzplatten getäfelten Atrium setzt sich die Analogie fort: Die lichtdurchflutete Halle, so Kuma, heisse die Besucher «willkommen wie ein japanischer Tempel». Besucher erreichen über einen breiten Treppenaufgang, einen gläsernen Lift und dunkle Kalksteinböden mit Fossilien-Prägungen die Ausstellungsetage mit einer stattlichen Gesamtfläche von 1100 Quadratmetern. Von Rundgängen, Sitzecken und Cafés fällt überall und unerwartet der Blick aufs Wasser, auf Kräne und die Brücke über den Tay.
Originalgetreue Jugendstil-Teestube
Die Schiffahrts- und Handelsgeschichte der Stadt, einst Zentrum von Handel, Werften, Walfang und Jute-Produktion sowie Heimathafen der «Discovery» von Antarktisforscher Captain Scott (1868-1912), ist auch Thema der ersten grossen Ausstellung. «Ocean Liners - Schnelligkeit und Stil» erzählt die Geschichte der Luxusliner.
In der Galerie über schottische Geschichte besticht der originalgetreue Wiederaufbau einer Teestube des schottischen Architekten und Jugendstil-Designers Charles Rennie Mackintosh (1868-1928) aus dem Jahr 1907. Das Eichenzimmer wurde vor drohender Zerstörung gerettet und war fast 50 Jahre lang in Glasgow eingelagert. Schottisches Design von Möbeln über Mode, Wolle, Weberei bis zu Gummistiefeln wird mit mehr als 300 Objekten präsentiert.
Gemeinsam mit V&A Dundee-Direktor Philip Long hoffen Stadtväter und Bevölkerung auf die Früchte einer «kulturellen Regeneration». Schon im ersten Jahr sollen 500'000 Besucher kommen; danach werden jährlich 350'000 erwartet.
Der Ruf der von hoher Arbeitslosigkeit geplagten 150'000-Einwohner-Stadt schwankt gegenwärtig zwischen cool und deprimierend. Computerspiele und neue Technologien brachten wirtschaftliches Leben in die Stadt, die zugleich den Rekord an Drogentoten in Grossbritannien hält.
Die Erneuerung, sagen Stadtplaner, habe mit dem neuen Museum ihren «Zündfunken» erhalten. Die aus Dundee stammende Schriftstellerin und Komikerin AL Kennedy fasst es in ihre eigenen Worte: «Es ist das erfolgreichste Grau, das ich bisher in Dundee gesehen habe.»
Architekt Kuma unterdessen lehnt den häufigen Vergleich mit dem sogenannten Guggenheim-Effekt des gleichnamigen Museums in Bilbao ab: «Das Guggenheim ist ein strahlendes Monument. Mein Ansatz der Wiederverbindung von Menschen mit ihrer Stadt ist genau das Gegenteil», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.