Tierschutz bemängelt Schweizer Doppelmoral bei Stopfleber
Letzte Woche hätte sich der Nationalrat beim Importverbot der Stopfleber für den Tierschutz einsetzen können. Dieser hat die Chance aber vertan.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat hat sich gegen ein Importverbot der Stopfleber ausgesprochen.
- Stattdessen wird eine Deklarationspflicht eingeführt.
- Tierschutzorganisationen bedauern den Entscheid und sprechen von einer Doppelmoral.
Gänse und Enten in der Stopfmast-Produktion leiden ihr ganzes kurzes Leben lang. Kaum sind sie auf der Welt, werden sie verstümmelt: Die Entwicklung ihrer Schnäbel und Krallen wird unterbunden, sie können ihre Bedürfnisse nicht ausleben.
Zweimal täglich wird ihnen innerhalb von drei Sekunden bis zu 1 Kilogramm Maisbrei in die Speiseröhre gepresst. Dies entspricht dem Sechsfachen ihrer normalen Nahrungsaufnahme. Die grausame Zwangsernährung mit Rohren führt zu Verletzungen der Speiseröhre und endet manchmal gar tödlich.
Sie werden auf das 10-Fache ihrer ursprünglichen Grösse gemästet, ihre Leber verfettet krankhaft. Die Tiere atmen und bewegen sich nur noch schwer, bis sie schliesslich geschlachtet werden.
Kaum einer denkt an diese traurige Realität, wenn die Stopfleber genüsslich auf den Toast gestrichen wird.
300'000 Tiere für den Schweizer Markt
Die Produktion von Stopfleber ist hierzulande seit über 40 Jahren verboten. Dennoch wurden allein letztes Jahr rund 200 Tonnen importiert. 300'000 Enten und Gänse mussten also für die Schweiz zwangsgefüttert und getötet werden.
Über diesen Missstand hat das Parlament in den vergangenen Monaten mit der Motion Haab diskutiert. Diese sah ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber vor.
Im Juni hatte der Ständerat den Text der Motion Haab mit einer knappen Mehrheit angenommen. Allerdings mit der Abänderung, dass anstelle eines Importverbotes für Stopfleber lediglich eine Deklarationspflicht umgesetzt werden soll. Nun ist auch der Nationalrat diesem Antrag gefolgt.
Zwar hätte er letzte Woche die Möglichkeit gehabt, sich für das Importverbot und somit gegen die Tierquälerei starkzumachen. Er entschied sich jedoch deutlich gegen den Tierschutz.
Stopfleber wird einerseits als Delikatesse gepriesen und andererseits als Tradition gesehen. Auch in der parlamentarischen Debatte wurde immer wieder auf die unterschiedlichen kulturellen Ansprüche in der Schweiz hingewiesen. Aus der Sicht des Tierschutzes darf Kultur aber kein Argument für Tierquälerei sein.
Nicht mit dem Tierschutz vereinbar
Dass die Produktion von Stopfleber mit immensen Qualen für die Tiere verbunden ist, ist seit Langem bekannt.
Dieses Verfahren ist nicht vereinbar mit den beiden Hauptzielen des Tierschutzgesetzes: mit der Würde und dem Wohlergehen der Tiere.
Dass dem Argument der Tradition immer noch so viel Gewicht beigemessen werde, sei bedauerlich. Dies sagt Lauretta Eckhardt, Policy Officer von Vier Pfoten Schweiz, einer Organisation, die sich für den Tierschutz weltweit einsetzt. Gerade in einem Zeitalter, in dem Informationen über die Herstellungsmethoden einfach zugänglich seien.
Sie bemängelt die Doppelmoral, dass sich die Schweiz immer wieder auf ihre strengen Standards im Tierschutz beruft. Tierquälerei im Ausland werde aber nicht nur ignoriert, sondern auch noch unterstützt.
Mit der Deklarationspflicht wird nun zwar mehr Transparenz geschaffen als bisher. Eine Deklarationspflicht kann aber kein besseres Tierwohl garantieren. Die Organisation Vier Pfoten fordert deshalb, dass diese Deklaration auf der Verpackung sichtbar gemacht wird.
Dies könnte z.B. ein Hinweis sein, dass die Herstellung dieses Lebensmittels in der Schweiz aus Gründen der Tierquälerei verboten sei. Es sollte zudem bedingungslos dafür gesorgt werden, dass die Deklaration in die Tat umgesetzt wird.
Für den Tierschutz: Alternativen kaufen
Wer sich trotz des abgeschmetterten Verbots für den Tierschutz einsetzen möchte, kann auf Stopfleber-Alternativen setzen. Es gibt schmackhafte Produkte, für die keine Tiere zwangsgefüttert werden müssen: Aktuell zählt Vier Pfoten mindestens 40 alternative Produkte, von denen 19 bereits in der Schweiz erhältlich sind.
Es gibt feine vegane Alternativen wie Faux gras oder Noix gras. Diese kommen ganz ohne Tier aus und sind somit die beste Möglichkeit, Genuss mit Tierschutz zu verbinden.