Tierschützer kritisieren Verlängerung der betäubungslosen Kastration

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Deutschland,

Tierschützer haben die grosse Koalition für ihren Gesetzentwurf zur Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration scharf kritisiert.

Mehrere Ferkel stehen in einer Box in einer Schweinezuchtanlage in Losten (D).
Ferkel sollen noch zwei weitere Jahre ohne Betäubung kastriert werden. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die grosse Koalition will betäubungslose Ferkelkastrationen verlängern.
  • Tierschützer prangern diesen Entscheid an.

Nachdem der deutsche Bundestag heute Freitag den Gesetzentwurf zur Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration von Union und SPD an den Agrarausschuss überwies, erklärte der Deutsche Tierschutzbund, diese Entscheidung laufe auf «weitere zwei Jahre Tierleid» hinaus. Die grosse Koalition stelle die wirtschaftlichen Interessen der Tiernutzer über den Tierschutz.

«Die Pläne der Koalition sind verheerend für den Tierschutz und für das Vertrauen der Menschen in die Politik», kritisierte Verbandspräsident Thomas Schröder. «Wir müssen schmerzhaft lernen, dass lange ausgehandelte und sogar gesetzlich fixierte Ausstiegsfristen von dieser Koalition nach Gutdünken aufgehoben werden, wenn die Wirtschaft ruft.»

Landwirte in Deutschland müssen eigentlich laut Tierschutzgesetz zum Jahresende die chirurgische Kastration ohne Betäubung bei unter acht Tage alten männlichen Schweinen einstellen. Ab 1. Januar 2019 müsste dann ein Verfahren angewendet werden, das Schmerzen wirksam ausschaltet. Sofern das nicht möglich ist, müssten die Tierhalter auf eine chirurgische Kastration verzichten. Union und SPD wollen die Frist für eine Fortsetzung der bisherigen Praxis um zwei Jahre verlängern.

Keine praktikable Alternative

Unterstützer für diesen Kurs argumentieren dabei, dass es bislang keine praktikablen Alternativmethoden zur Ferkelkastration gebe. Diese wird für notwendig gehalten, da männliche Schweine andernfalls den von manchen Menschen als unangenehm empfundenen Ebergeruch entwickeln können. Der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration stelle viele Sauenhalter zudem vor «gewaltigen Herausforderungen», warnte der Bauernverband. Nötig seien enorme Investitionen, die viele Betriebe überforderten.

Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zufolge brauchen «die deutschen Ferkelerzeuger Unterstützung» auf dem Weg hin zu einem Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration, der spätestens zum Ende des Jahres 2020 erfolgen soll. So solle auch die «gesellschaftliche Akzeptanz der Ferkelerzeugung» in Deutschland gestärkt werden.

Rasch geschaffen werden sollen nach den Vorstellungen der Koalition die Voraussetzungen dafür, dass Landwirte oder sachkundige Dritte die Betäubung von Ferkeln selbst vornehmen können. Dafür soll das Mittel Isofluran unverzüglich nach dem Jahreswechsel zugelassen werden.

«Quälerei muss gestoppt werden»

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hatte vor der Abstimmung im Bundestag die Abgeordneten von Union und SPD aufgefordert, gegen eine Verlängerung zu stimmen. «Die Ferkelquälerei muss gestoppt werden», sagte er AFP. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und die Bundesregierung der deutschen Fleischindustrie erneut einen Freifahrtschein zur Tierquälerei ausstellen wollten.

Die Grünen-Bundestagsfraktion brachte am Freitag einen eigenen Antrag ein, der eine «unverzügliche» Umsetzung des Tierschutzes verlangt und der ebenfalls an den Agrarausschuss überwiesen wurde. Jedes Jahr würden in Deutschland 20 Millionen Ferkel ohne Betäubung kastriert, heisst es darin. Eine Verlängerung dieser Ausnahmeregelung stelle eine Verschlechterung des Tierschutzgesetzes dar – nötig sei aber eine Verbesserung: Tiere sollten «frei von Leiden und Angst leben können».

AfD beantragte Benutzung von Lokalanästhesie

Ein Antrag der AfD-Fraktion wurde ebenfalls an den Ausschuss überwiesen. Darin fordert die Partei, eine Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration mit dem Mittel Lidocain zu ermöglichen. Falls nicht schnellstmöglich Planungssicherheit für die deutschen Schweinehalter geschaffen werde, drohe ein Strukturbruch in der Branche; von 2010 bis 2016 sei die Zahl der Sauenbetriebe um etwa 50 Prozent gesunken.

Der Gesetzentwurf der Koalition wird nun gemeinsam mit den Oppositionsanträgen im Agrarausschuss beraten. Nach Angaben des Tierschutzbundes erfolgt die Verabschiedung des Koalitionsentwurfs voraussichtlich in der letzten Novemberwoche. Am 14. Dezember könne der Bundesrat formal noch Einspruch einlegen – ansonsten trete das Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft.

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