Coronavirus: Die umstrittenen Trump-Aussagen im Faktencheck
Das Wichtigste in Kürze
- Während seinen Corona-Pressekonferenzen macht Donald Trump immer wieder gewagte Aussagen.
- Gestern Dienstag behauptete er, «die schlimmsten Tage der Pandemie liegen hinter uns».
- Im Faktencheck beleuchtet Nau.ch fünf Aussagen genauer.
Mit gewagten Aussagen rund um das Coronavirus bringt Donald Trump Mediziner, Kritiker und sogar seine eigenen Expertenteams auf die Palme. Dieser Faktencheck nimmt fünf seiner Corona-Aussagen genauer unter die Lupe.
Behauptet WHO, es gebe keine Übertragung von Mensch zu Mensch?
Trumps Aussage: Der US-Präsident hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon mehrmals angegriffen und einen Zahlungsstopp angekündigt. Die WHO soll unter anderem Mitte Januar erklärt haben, beim Coronavirus gebe es keine Übertragung von Mensch zu Mensch.
«Sie gaben diese Erklärung wahrscheinlich zusätzlich in der zweiten oder dritten Dezemberwoche ab. Aber sie gaben sie sehr kraftvoll am 14. Januar ab», so Trump an einer Pressekonferenz.
Faktencheck: Die WHO gab im Dezember überhaupt keine Erklärung zum Coronavirus ab. Die Gesundheitskommission der chinesischen Stadt Wuhan gab erst am 31. Dezember bekannt, dass dort eine mysteriöse Lungenkrankheit ausgebrochen war. Die WHO erfuhr nach eigenen Angaben an diesem Tag davon.
Mitte Januar gab es laut chinesischen Behörden gerade mal rund 40 bestätigte Corona-Fälle. Da vieles über das Coronavirus noch nicht bekannt war, stellte die WHO am 14. Januar fest, dass es noch «keine klaren Beweise» für eine Corona-Übertragung von Mensch zu Mensch gebe. Es seien zusätzliche Untersuchungen erforderlich, «um die potenzielle Übertragbarkeit unter Menschen vollständig zu verstehen».
Eine Epidemiologin hielt an einer WHO-Pressekonferenz fest, dass die «Mensch-zu-Mensch-Übertragung sicherlich möglich» sei. Die ersten Nachweise dafür lieferte China dann am 20. Januar.
Hilft Injektion von Desinfektionsmitteln und Behandlung mit Lichtbestrahlung?
Trumps Aussage: Vergangene Woche schlug Trump an einer Pressekonferenz vor, dass Experten die Injektion oder Einnahme von Desinfektionsmitteln prüfen. Zudem schlug er eine Behandlung von Corona-Patienten mit Lichtbestrahlung vor. Nach kritischen Reaktionen bezeichnete er diese Aussagen später als «Sarkasmus».
Faktencheck: Die Idee mit den Desinfektionsmitteln sorgte nicht nur für Kopfschütteln. Auch Desinfektionsmittel-Hersteller reagierten kurz darauf mit Stellungnahmen. «Unter keinen Umständen» sollten Desinfektionsmittel in den menschlichen Körper verabreicht werden, warnte etwa der britische Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser. Gleiches schrieb das US-Unternehmen Clorox.
Das Büro des operativen Leiters des US-Public Health Service meldete sich ebenfalls auf Twitter zu Wort: «BITTE reden Sie zuerst mit Ihrem Gesundheitsdienstleister, bevor Sie sich auf eigene Faust Medikamente verabreichen oder sich einer Behandlung unterziehen.»
Laut Dr. Rais Vohra von der University of California gebe es keine Beweise, dass die Behandlung mit UV-Lichtstrahlen sicher und effektiv sei. Zudem könne UV-Licht das Risiko für Hautkrebs erhöhen.
Anti-Malaria-Medikament als Mittel gegen Coronavirus?
Trumps Aussage: Der US-Präsident hat das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin als Mittel gegen das Coronavirus empfohlen: «Was hat man zu verlieren? Nehmen sie es», sagte er zum Beispiel am 4. April dazu. Zudem würden laut Trump Menschen mit Lupus – diese werden oft mit Hydroxychloroquin behandelt – nicht an Corona erkranken.
Faktencheck: Laut Rheuma-Fachverbänden fehlt es momentan an einer umfassenden Studie, um zu zeigen, ob das Medikament wirklich gegen Corona hilft. Trumps Berater und Immunologe Anthony Fauci wurde ebenfalls gefragt, ob es Beweise gebe, dass Hydroxychloroquin bei der Corona-Behandlung helfe. Seine Antwort: «Nein, die Antwort ist nein.»
Eine neue Studie der britischen Universität Oxford zeigt zudem: Die Nachfrage nach unerprobten und möglicherweise sogar gefährlichen Medikamenten steigt, sobald diese von prominenten Menschen empfohlen werden. Nach den Aussagen Trumps zum Medikament sind die Anfragen nach Hydroxychloroquin bereits im März um 1389 Prozent gestiegen.
In der Studie, an der auch US-Forscher beteiligt waren, steht deswegen: «Therapien, die nicht durch ausreichende Nachweise gestützt werden (...), sollten nicht von Personen des öffentlichen Lebens angepriesen werden.»
Trumps Lupus-Aussage ist indes falsch. Die «Covid-19 Global Rheumatology Alliance» hatte Anfang April 110 Corona-Infizierte mit rheumatologischen Krankheiten aufgelistet. 17 Prozent davon litten an der Lupus-Krankheit.
Wurde Italien wegen US-Einreiseverbot für China so hart getroffen?
Trumps Aussage: «Ich habe im Januar unser Land abgeriegelt. Man sagt, dass viele Menschen statt in die USA nach Italien gereist sind, nachdem ich für China ein Einreiseverbot verhängte. Darum hat es Italien so schwer getroffen», sagte Trump am 19. April an einer Pressekonferenz.
Faktencheck: Diese Aussage ergibt keinen Sinn: Italien hat am 31. Januar alle Flüge nach und aus China gestoppt. Die USA haben dieselbe Massnahme zwar am gleichen Tag angekündigt, umgesetzt wurde sich jedoch erst zwei Tage später.
Natürlich hätten Menschen auch indirekt aus China nach Italien reisen können, dies gilt aber auch für die USA. Zudem seien seit der Einführung der Massnahme noch knapp 40'000 Menschen mit Direktflügen aus China in die USA gekommen. Dies geht aus einem Bericht der New York Times von Anfang April hervor.
Liegen die schlimmsten Tage «hinter uns»?
Trumps Aussage: «Unsere Experten glauben, dass die schlimmsten Tage der Pandemie hinter uns liegen. Nun freuen sich die Amerikaner auf eine sichere und schnelle Wiedereröffnung des Landes», sagte Trump am Dienstag. Zudem betonte er bereits vor Tagen, dass es beim Coronavirus keine zweite Welle geben werde.
Faktencheck: Es ist durchaus möglich, dass die «schlimmsten Tage» hinter den USA liegen. Doch ein Blick auf die Infektionskurve der USA zeigt noch keinen klaren Rückgang über mehrere Tage hinweg. Auch Virologe und Trumps Berater Fauci warnt davor, dass die Ansteckungskurve schnell wieder in die Höhe schiessen könne.
Ansonsten drohe ein schlimmer Herbst und schlimmer Winter, so Fauci. Er warnt vor einer zweiten Welle, die dasselbe Ausmass erreichen könne. Damit widerspricht er auch hier dem US-Präsidenten. Weitere Experten aus dem US-Gesundheitsministerium gehen davon aus, dass es im Herbst in den USA eine zweite Welle geben wird.