Crowdstrike: Informatiker müssen nach IT-Panne Überstunden machen

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

USA,

Eine fehlerhaftes Update bei der IT-Firma Crowdstrike legt weltweit Millionen von Geräten lahm. Nun wird klar: Jedes Gerät musste manuell geflickt werden.

Weltweite IT-Panne
Verantwortlich für den weltweiten IT-Ausfall ist ein fehlerhaftes Update der Cybersecurity-Firma Crowdstrike. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein globales IT-Update legte 8,5 Millionen Windows-Geräte lahm.
  • Crowdstrike zog das fehlerhafte Update zwar zurück, doch die Arbeit bleibt.
  • Informatiker weltweit kämpfen weiterhin mit den Folgen des Ausfalls.
  • IT-Experten ordnen den Mehraufwand gegenüber Nau.ch ein.

Am Freitag stand die Welt für einen Moment still: Zahlreiche Flugzeuge blieben am Boden, Spitäler mussten Operationen verschieben und TV-Sender konnten nicht senden. Schuld daran war ein globaler IT-Ausfall.

Ausgelöst wurde dieser durch ein fehlerhaftes Update bei der US-amerikanischen Cybersicherheits-Firma Crowdstrike mit rund 29'000 Kunden weltweit. Als Kettenreaktion waren wegen des fehlerhaften Updates laut Schätzungen rund 8,5 Millionen Geräte mit Microsoft Windows betroffen.

Crowdstrike-CEO George Kurtz gab innert weniger Stunden Entwarnung: Crowdstrike habe das fehlerhafte Update zurückgezogen, die Systeme sollten nun allmählich wieder anlaufen.

Informatiker auf den Barrikaden

Doch ganz so einfach ist es nicht. Informatiker auf der ganzen Welt hatten das ganze Wochenende über beide Hände voll zu tun. Auf der Plattform Reddit äussern sie ihren Unmut.

«Ich bin mehr als nur angepisst, ich bin richtig wütend», schreibt einer. Er sei stundenlang damit beschäftigt, die Probleme zu beheben. «Unser Team wird Zehntausende von Dollar für Überstunden ausgeben, ganz zu schweigen von der verlorenen Produktivität.»

Crowdstrike
Auf Reddit verfasst ein Informatiker eine lange Wutrede – und erntet dafür einen Haufen Zuspruch. - Screenshot Reddit/r/sysadmin

Von Crowdstrike fühlt sich der Informatiker vernachlässigt. Er kann nicht verstehen, warum das Update nicht genug getestet wurde.

Andere Informatiker schliessen sich seiner Wutrede an. Dass der Crowdstrike-CEO öffentlich sagte, man habe die Probleme behoben, bezeichnen sie als «Witz».

Experte bestätigt: Manueller Aufwand erforderlich

Der Schweizer Cybersecurity-Experte Marc Ruef von der Firma Scip bestätigt gegenüber Nau.ch: «Es wird nun manueller Aufwand erforderlich, da in den meisten Fällen jedes System vor Ort wieder instand gebracht werden muss.»

Marc Ruef
Marc Ruef, Mitbegründer der Firma Scip AG und im Cybersecurity-Bereich tätig. - zvg

Er kann daher den Frust der Informatiker verstehen. «Das einzelne Anpassen der Systeme ist zeitintensiv. Das ist bei mobilen Geräten und Servern in abgelegenen Server-Räumen mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden.»

Konkret benötigt man pro Gerät rund fünf bis zehn Minuten, so Ruef. «Im Idealfall werden aber noch zusätzliche Funktionstests gemacht, die den Aufwand durchaus verdoppeln können.»

Theoretisch gebe es zwar technische Möglichkeiten, solche Anpassungen automatisiert über das Netzwerk vorzunehmen. «Dies ist aber mit anderen Herausforderungen verbunden und in den meisten Umgebungen weder vorgesehen noch umsetzbar», so Ruef.

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Man könne davon ausgehen, dass ein Grossteil der über acht Millionen Geräte inzwischen wieder funktionstüchtig sei. Aber: «Es wird sicher noch das eine oder andere Gerät, das nur spärlich genutzt wird, mit diesem Problem zu kämpfen haben.»

Crowdstrike vernachlässigte Qualitätskontrolle «sträflich»

Der IT-Experte kritisiert: «Crowdstrike hat die Qualitätskontrolle sträflich vernachlässigt. Kunden haben ihnen zu sehr vertraut, die Software zu nah ans Betriebssystem gelassen.» Dabei seien die technischen Risiken oft ausgeblendet worden und man habe keine Qualitätssicherung vorgenommen.

Ruefs Fazit: «Dieser Fall illustriert mit voller Wucht, wie vielschichtig, komplex und fragil die Technologie geworden ist.»

Experte: «Hätte verhindert werden können»

Sandro Nafzger, CEO der Schweizer Cybersecurity-Firma Bug Bounty Switzerland, erklärt ergänzend: «Laut dem Anbieter liegt das Problem an einer einzigen fehlerhaften Datei. Diese wurde durch ein Update automatisch an die Nutzer geschickt und installiert.»

Zwei Punkte müssen nun diskutiert werden. «Die Nutzer der Software geben dem Unternehmen nahezu vollen Zugriff auf ihre Computer.» Der Vorfall zeige nun, dass das ein erhebliches Risiko sein könne.

Sandro Nafzger
Sandro Nafzger, CEO der Schweizer Cybersecurity-Firma Bug Bounty Switzerland. - zvg

Und: «Es scheint, dass der verantwortliche Fehler relativ einfach hätte entdeckt werden können. Man muss sich also fragen, warum der Fehler nicht entdeckt wurde und wie die Tests verbessert werden müssen.»

Wichtig sei, dass IT-Systeme und -Lösungen «kontinuierlich und proaktiv» getestet werden, sagt Nafzger. «Um allfällige Schwachstellen zu entdecken, bevor sie Schaden anrichten können.»

Dieser Milliardär steckt hinter Crowdstrike

Der Kopf hinter dem Unternehmen Crowdstrike ist CEO und Co-Gründer George Kurtz. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen über 8000 Mitarbeitende und weist einen Börsenwert von satten 74,2 Milliarden Franken auf.

Laut «Forbes» beträgt Kurtz’ Privatvermögen inzwischen über drei Milliarden Franken.

Dieses Geld investiert er gerne in sein grosses Hobby. Nicht nur ist Kurtz Investor verschiedener Autorennteams, er sitzt auch gerne selbst am Steuer von Rennautos.

Crowdstrike
George Kurtz, CEO von Crowdstrike, ist für den massiven IT-Ausfall vom Freitag mitverantwortlich. - Screenshot Instagram/@georgekurtz

Seine Erfolge beim Amateurrennen teilt er gerne auf Instagram. Doch seit dem Mega-IT-Ausfall tummeln sich dort fiese Kommentare.

Ein Nutzer schreibt zynisch: «Ich schätze, George wird in den nächsten Wochen keine Rennen mehr fahren. Nachdem er einen Grossteil der Weltwirtschaft zerstört hat. Danke, George.»

Kommentare

User #4365 (nicht angemeldet)

als informatiker lache ich darüber, da ich so oder so nicht krittische patches nich sofort einspiele (: tja wer kein WSUS server hat und einfach alles einspielt ohne zuerst signieren (: da merkt man klar wer keine gute IT hat und wer schlechte Dienstleister hat

User #6534 (nicht angemeldet)

Die erste Aussage ist immer, nein wir haben nichts geändert. Aber wenn man weiss wie large Systemtechniker arbeiten, wundert sowas gar nicht. Dann ist die erste Begründung meist ein Hardwaredefekt an einem Knoten. Nur per Zufall kommt dann manchmal raus, dass ein Update gar nicht getestet wurde

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