Erste Zeugen im Fall Floyd sagen gegen weissen Ex-Polizisten aus
Der Tod von George Floyd schockierte vergangenes Jahr die Welt. Am Montag hat nun der Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Montag läuft der Prozess gegen den amerikanischen Ex-Polizisten Derek Chauvin.
- Mehrere Augenzeugen haben dabei gegen Chauvin ausgesagt.
- Der Polizist habe eine besonders gefährliche «Würgetechnik» eingesetzt, so ein Zeuge.
Im Strafprozess um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd haben mehrere Augenzeugen den Tathergang geschildert.
Zum einen die Jugendliche, die im vergangenen Mai den gewaltsamen Polizeieinsatz gegen Floyd mit ihrem Handy filmte. Ausserdem eine Feuerwehrfrau, die erste Hilfe leisten wollte und ein ausgebildeter Kampfsportler, der den Polizeinotruf wählte. Sie alle sagten am Dienstag vor Gericht in Minneapolis gegen den angeklagten weissen Polizisten Derek Chauvin aus.
Die Zeugen berichteten, wie sie den neunminütigen Todeskampf Floyds miterlebten, während Chauvin auf seinem Nacken kniete. Unter Tränen erzählte die heute 18-jährige Darnella Frazier, wie sie den Polizeieinsatz gefilmt habe. Denn ihr sei sofort klar geworden, dass er «falsch» gewesen sei.
Fraziers Aufnahmen sind wichtiges Beweisstück
Floyd sei verängstigt gewesen, habe Schmerzen gelitten und um sein Leben gefleht, berichtete sie. «Ich habe einen schwarzen Vater. Ich habe einen schwarzen Bruder. Es hätte einer von ihnen sein können.»
Danach sei sie «nächtelang wach geblieben». Sie habe George Floyd in Gedanken um Verzeihung gebeten, dass sie nicht mehr getan habe, um sein Leben zu retten. Zugleich wisse sie aber, dass dies eigentlich Chauvins Aufgabe gewesen wäre.
Chauvin hatte am 25. Mai 2020 dem wegen eines mutmasslich gefälschten 20-Dollar-Scheins festgenommenen Floyd minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt. Dies, obwohl Floyd mehrfach klagte, er bekomme keine Luft.
Fraziers Video gilt als wichtiges Beweisstück im Prozess gegen den inzwischen aus dem Polizeidienst entlassenen 45-jährigen Angeklagten. Die Aufnahmen sorgten damals in den USA und weltweit für Entsetzen. Im Anschluss lösten sie beispiellose Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus.
Chauvin habe gefährliche «Würgetechnik» eingesetzt
Bei der weissen Feuerwehrfrau und Rettungssanitäterin, die ebenfalls am Tatort war, handelt es sich um Genevieve Hansen. Sie habe Chauvin und die anderen am Einsatz beteiligten Polizisten vergeblich darum gebeten, Wiederbelebungsversuche unternehmen zu können. «Ich wollte unbedingt helfen, aber sie liessen mich nicht», sagte die 27-Jährige Hansen sichtlich aufgewühlt. Jemanden beim Sterben zuzusehen, sei «verstörend».
Auch Donald Williams wusste nach eigener Aussage sofort, dass etwas bei dem Einsatz furchtbar falsch lief: Jeder habe sehen können, wie Floyd versucht habe, Luft zu bekommen und wie sich dann langsam seine Augen verdreht hätten. Als Kenner von Kampfsportarten habe er zudem sofort gesehen, dass Chauvin eine besonders gefährliche «Würgetechnik» eingesetzt habe. Er tat dies, obwohl Floyd wehrlos in Handschellen am Boden gelegen habe.
Nachdem Floyd im Krankenwagen abtransportiert worden sei, habe er den Polizei-Notruf gewählt, um Anzeige zu erstatten. Teile des Notrufs wurden vor Gericht abgespielt.
Darin ist die aufgeregte Stimme des 33-jährigen Afroamerikaners zu hören: «Er hat diesen Typen einfach umgebracht. Mörder (...) sie haben gerade diesen Mann vor dem Laden getötet.»
Prozess dauert etwa einen Monat
Die Verteidigung argumentierte, Chauvin und seine Kollegen seien wegen der Schreie der Schaulustigen und der zunehmend gespannten Atmosphäre abgelenkt gewesen. Verteidiger Eric Nelson erinnerte den Zeugen Williams daran, dass er Chauvin «13 Mal als ‹Penner›» beschimpft habe.
Chauvin ist wegen Mordes und Totschlags angeklagt, ihm drohen bis zu 40 Jahre Haft. Er weist alle Vorwürfe von sich. Da die Öffentlichkeit aufgrund der Corona-Pandemie nicht an der Verhandlung teilnehmen kann, wird diese im Internet übertragen.
Es wird erwartet, dass der Prozess etwa einen Monat lang dauert. Drei weitere ehemalige Polizeibeamte sollen zu einem späteren Zeitpunkt einzeln vor Gericht gestellt werden.
Zum Auftakt des Prozesses hatten Freunde und Angehörige Floyds acht Minuten und 46 Sekunden vor dem Gerichtsgebäude in Minneapolis niedergekniet. Nach bisherigem Wissen entsprach dies der Zeit, die Chauvin dem 46-Jährigen sein Knie in den Nacken drückte. Die Staatsanwaltschaft hat die Dauer inzwischen korrigiert: Demnach waren es neun Minuten und 29 Sekunden.