Fall George Floyd: Prozess liegt nun in Hand der Geschworenen
In einem der meist beachteten Fälle von Polizeigewalt der jüngeren US-Geschichte wird mit Spannung auf eine Entscheidung der Geschworenen gewartet.
Nach den Abschlussplädoyers von Anklage und Verteidigung am Montag (Ortszeit) müssen sie jetzt beurteilen, ob der weisse Ex-Polizist Derek Chauvin die Schuld für die Tötung des Afroamerikaners George Floyd trägt. Dem 45 Jahre alten Chauvin droht im Fall einer Verurteilung eine lange Haftstrafe.
Die Erwartungen an das Verfahren sind in den USA immens: Viele Menschen, darunter viele Schwarze, hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt. Sollte Chauvin aber freigesprochen werden oder eine kurze Haftstrafe bekommen, könnte es massive Proteste geben.
Tausende Nationalgardisten im Einsatz
Wegen einer möglichen Eskalation schickte der Bundesstaat Minnesota Tausende Nationalgardisten nach Minneapolis. Das Gerichtsgebäude, aber auch die Polizeistationen und der Ort, an dem George Floyd starb, wurden abgeriegelt und zusätzlich geschützt. Viele Geschäftsleute verbarrikadierten ihre Läden. Nach Floyds Tod war es in Minneapolis bei Protesten zu Ausschreitungen gekommen; mehrere Gebäude gingen damals in Flammen auf.
Der Gouverneur des Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, und der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, forderten die Menschen auf, nach der Bekanntgabe des Urteils friedlich zu demonstrieren und kein «Chaos» zu erlauben.
Bruder von George Floyd ruft zur Ruhe auf
Floyds Bruder Philonise rief am Dienstag ebenfalls zu Besonnenheit auf. «Wir wollen einfach, dass alle friedlich bleiben», sagte er dem Sender NBC. Er könne die Menschen aber nicht davon abhalten zu tun, was sie tun wollten. Sie seien verletzt durch die Polizeigewalt im Land.
Philonise Floyd sagte, er hoffe, dass das Urteil so ausfalle, «wie die Welt es gerne sähe». Er sei optimistisch. Floyd erzählte, US-Präsident Joe Biden habe ihn am Montag angerufen und ihm sein Mitgefühl ausgesprochen.
«Das war kein Polizeieinsatz, das war Mord»
Das Hauptverfahren gegen Chauvin war am Montag (Ortszeit) mit den Abschlussplädoyers von Anklage und Verteidigung zu Ende gegangen. Staatsanwalt Steve Schleicher argumentierte, Chauvins exzessive und erbarmungslose Gewaltanwendung habe Floyd umgebracht.
Floyd habe Chauvin bis zu seinem letzten Atemzug gebeten, ihn atmen zu lassen, während dieser 9 Minuten und 29 Sekunden auf ihm gekniet habe. Chauvin habe auf «schockierende» Weise gegen Polizeirichtlinien zur zulässigen Gewaltanwendung verstossen und müsse verurteilt werden. «Das war kein Polizeieinsatz, das war Mord», sagte Schleicher.
Verteidiger betont Unschuld Chauvins
Chauvins Verteidiger Eric Nelson betonte hingegen die Unschuld seines Mandanten. Dessen Handeln bei Chauvins Festnahme sei berechtigte Gewaltanwendung im Rahmen eines «dynamischen» Polizeieinsatzes gewesen, weil Floyd sich der Festnahme widersetzt habe, argumentierte er.
Zudem gebe es berechtigte Zweifel bezüglich Floyds Todesursache. Die Anklage habe die Schuld seines Mandanten nicht zweifelsfrei bewiesen, weswegen es einen Freispruch geben müsse, sagte Nelson.
Der 46 Jahre alte Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie rund neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später.
Geschworenen müssen nun Entscheidung treffen
Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld fällt im US-Rechtssystem den Geschworenen zu. Für die Beratung der zwölf Jury-Mitglieder gibt es keine Zeitvorgabe - sie könnten innerhalb einer Stunde entscheiden oder nach einer Woche, wie Richter Peter Cahill vergangene Woche erklärt hatte.
Die Geschworenen dürfen während der Unterredungen nicht mehr nach Hause, sondern sind in einem Hotel untergebracht. Die Jury bleibt aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Geschworenen im Prozess im Fall George Floyd müssen nun ihrer Entschidung treffen.
- Die Jury darf sich für die Urteilsfindung so lange Zeit lassen, wie sie braucht.
- Dem Polizisten Derek Chauvin droht eine lange Haftstrafe.