Frida Kahlo und das Geheimnis der Geisterstimme

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Mexiko,

Klang so Frida Kahlos Stimme? Eine mysteriöse Tonbandaufnahme aus dem Archiv der nationalen Phonothek Mexikos sorgt im Heimatland der Künstlerin für Aufsehen. Doch nicht alle sind überzeugt.

Die mexikanische Malerin Frida Kahlo (1931). Foto: epa/efe
Die mexikanische Malerin Frida Kahlo (1931). Foto: epa/efe - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Künstlerin, Geliebte, militante Kommunistin, Ehefrau des Muralisten Diego Rivera und Ikone des Feminismus - Frida Kahlo (1907-1954) hatte viele Gesichter.

Kaum bekannt ist allerdings ihre Stimme.

Daher war die Aufregung gross, als Mexikos Nationalphonothek jüngst eine mysteriöse Tonbandaufnahme zu Tage förderte, auf der die berühmte Malerin zu hören sein soll.

Auf dem Band rezitiert die mutmassliche Kahlo für den Radiosender XEW einen Text über Rivera, den die Künstlerin selbst für einen Ausstellungskatalog aus dem Jahr 1949 geschrieben hatte. Doch an der Zuschreibung der Stimme, die wie die einer geschulten Hörfunk-Sprecherin klingt, gibt es Zweifel.

«Natürlich ist es nicht ihre Stimme», sagt der Maler und ehemalige Kahlo-Schüler Arturo Estrada Hernández, der zu der Gruppe «Los Fridos» gehörte. Auch andere erkennen die Stimme nicht, wie etwa die Malerin und frühere Rivera-Mitarbeiterin Rina Lazo.

«Ich denke, das ist meine Stimme», sagte die Hörspiel- und Synchronsprecherin Amparo Garrido nach dem Anhören des Tonbands. Sie arbeitete zur Entstehungszeit der Aufnahme für den Sender. Andere mutmassen, es könne sich um die Stimme verstorbener Schauspielerinnen wie Evangelina Elizondo oder Carmen Manzano handeln.

Nun soll eine vergleichende Studie für Klarheit sorgen. «Wir haben zwischen 15 und 20 Sprecherinnen aus den 1950er Jahren, die sich damals im Radio-Umfeld bewegten», sagt der Direktor der Phonothek, Pável Granados, der Deutschen Presse-Agentur. Mit diesen Stimmen soll die umstrittene Aufnahme nun abgeglichen werden. Dennoch will Granados die Möglichkeit, dass es sich um Kahlos Stimme handeln könnte, nicht ganz verwerfen. «Falls es keine dieser Schauspielerinnen ist, glaube ich, dass die Zweifel noch eine Weile bestehen bleiben werden», sagt er weiter.

Das Band befindet sich derzeit in einem temperatur- und feuchtigkeitskontrollierten Lagerraum der Phonothek, einem rot gestrichenen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert im Szeneviertel Coyoacán in Mexiko-Stadt. In den Rollregalen des Archivs gibt es Hunderttausende Tondokumente, die die Angestellten nur mit Handschuhen anfassen dürfen.

Granados bestreitet, die Kulturministerin Alejandra Frausto und er hätten die Aufnahme den Medien am 12. Juni verfrüht als «wahrscheinliche Stimme Fridas» präsentiert, ohne Gewissheit zu haben. In der betreffenden Sendung sprechen verschiedene Personen über Rivera (1886-1957) und man kann den Muralisten bei einer Feier singen hören, wie Granados sagt. Die mutmassliche Kahlo liest dazu einen Text, in dem sie ihren Ehemann als «grosses Kind, immens, mit freundlichem Gesicht und traurigen Blick» beschreibt.

Die Grundlage für die Annahme, es könne sich um Kahlos Stimme handeln, ist ein Satz, den der Moderator Álvaro Gálvez y Fuentes (1918-1975) im Anschluss sagt: «Diese Stimme, die nur noch in der Beständigkeit ihrer Worte existiert, die Stimme Frida Kahlos, hat uns in die ferne Kindheit des Malers geführt.»

Das Programm wurde zwischen 1955 und 1957 aufgenommen. Damals war Kahlo bereits tot. Doch laut Granados könnte die Stimme von einer älteren Aufnahme übernommen worden sein. Eine Analyse des bereits digitalisierten Audiomaterials deute darauf hin, dass es ausserhalb des Studios aufgenommen wurde. «Ich weiss, dass man das auf vielerlei Weise deuten kann, dass es sich vielleicht um eine Metapher handelt. Aber vielleicht ist es auch nicht so», sagt er.

Die Schachtel mit dem Tonband befindet sich weit hinten in dem Regal der Phonothek und trägt die Aufschrift: «Stimmenprofil Diego Rivera» sowie ein rot-umrandetes Etikett mit den Namen Frida Kahlos und des Malers Dr. Atl.

Als Kahlo 1954 im Alter von 47 Jahren starb, war sie noch nicht berühmt. Sie hatte erst an wenigen Ausstellungen teilgenommen, auch wenn sie bereits durch ihre Persönlichkeit und ihren Kleidungsstil auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Die Malerin hatte ein schweres Leben. Als Tochter des deutschen Fotografen Carl Wilhelm «Guillermo» Kahlo wurde sie 1907 in Coyoacán geboren. Als Sechsjährige erkrankte sie an Kinderlähmung, mit 18 Jahren erlitt sie einen schweren Verkehrsunfall, bei dem sie ihre Wirbelsäule an drei Stellen brach. Sie wurde über 30 Mal operiert und musste jahrelang ein Stahlkorsett tragen. Eines ihrer Beine wurde unterhalb des Knies amputiert.

Kahlo hatte verschiedene Liebschaften mit Männern und Frauen, darunter der russische Revolutionär Leo Trotzki, der nach Mexiko ins Exil ging, sowie eine schwierige Beziehung mit Rivera, von dem sie sich scheiden liess und den sie später ein zweites Mal heiratete.

Bekannt wurde ihr Name Anfang der 1970er Jahre durch die Feministenbewegung in den Vereinigten Staaten sowie eine 1983 erschienene Biografie der US-Autorin Hayden Herrera (deutsch: «Frida Kahlo: Ein leidenschaftliches Leben»), die später mit Salma Hayek in der Titelrolle verfilmt wurde («Frida»/2002).

Egal, was bei der Untersuchung des Tonbandes herauskommt, Granados ist zuversichtlich, dass jetzt noch mehr Menschen Material beitragen werden, um die Stimme Kahlos zu finden, bevor es wegen des Verfalls der Aufnahmen zu spät ist.

«Bei diesem Band handelt es sich um ein Acetat-Band. Es war sehr abgenutzt. Es musste befeuchtet werden und hat nun ein Essigsäure-Syndrom ersten Grades, was für Bänder tödlich ist», sagt Granados. Nun gelte es, andere Originaltonaufnahmen schnellstmöglich zu digitalisieren, bevor sich die Bänder zersetzten. «Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit», fügt er hinzu. «Die Stimme Fridas ist ein Phantom, das wir verfolgen. Und wir wissen nicht, ob wir sie in unserem Netz gefangen haben.»

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