Ist Remdesivir die Corona-Wunderwaffe?
Das Wichtigste in Kürze
- Remdesivir ist ein nicht zugelassenes antivirales Medikament.
- Die Wirksamkeit wurde bereits im Labor, aber noch nicht bei Menschen nachgewiesen.
- Der Notfalleinsatz bei COVID-19-Erkrankungen ist vielversprechend.
Die Ärzte rüsten im Kampf gegen das Coronavirus fortwährend auf. Den Medizinern stehen viele Mittel zur Verfügung, um die Symptome von COVID-19 zu lindern. Doch noch suchen Mediziner nach einem Mittel, welches effizient gegen das Virus selbst wirkt.
Unter den Kandidaten zur Virenbekämpfung befindet sich auch das Medikament Remdesivir. Was macht es zum Hoffnungsträger? Wieso wird das Medikament noch nicht häufiger eingesetzt? Und warum gibt es noch keine endgültigen Beweise der Wirksamkeit?
Vom Misserfolg zum Hoffnungsträger
Remdesivir wurde vom US-Pharmakonzern Gilead Sciences für die Bekämpfung des Ebolavirus entwickelt. Während der Ebola-Epidemie von 2014 bis 2016 wurde das Medikament bereits getestet. Nachdem es bei sechs Versuchs-Schimpansen erfolgreich eingesetzt wurde, zeigte es sich bei Menschen nicht gleich wirksam: Nachdem Patienten starben, wurde der Versuch fallengelassen, schreiben die Verfasser der damaligen Studie.
Dennoch wurden die Versuche in Laborstudien weitergeführt: Das Medikament zeigte sich wirksam gegen verschiedene im Labor gezüchtete Virenkulturen, darunter auch gegen Sars-CoV-1. Das Virus aus der Coronaviren-Familie hatte 2002 die Sars-Epidemie ausgelöst.
Damit war Remdesivir von Anfang an ein Kandidat für die Behandlung von COVID-19: Erste Studien aus China bewiesen bereits Anfang Februar, dass Remdesivir in Labortests effektiv das neuartige Coronavirus bekämpft.
Coronaviren vermehren sich, indem sie in Zellen eindringen und den Zellkern so beeinflussen, dass dieser Kopien des Virus herstellt. Dieser Vorgang, RNA-Polymerase genannt, solle durch Remdesivir unterbunden werden, erklärt Virologe Christian Drosten gegenüber dem NDR.
Deswegen wird Remdesivir noch nicht grossflächig verwendet
Ehe ein Medikament für die Behandlung zugelassen wird, muss dieses umfassend auf seine Wirkungen und Nebenwirkungen getestet werden. Dazu durchläuft jedes Medikament eine klinische Studie: Erst wenn ein signifikanter Wirksamkeitsnachweis erbracht ist, darf das Medikament verschrieben werden.
Hierfür muss das Medikament mehrere zum Teil randomisierte Tests durchlaufen: In einem randomisierten Test wird einer Gruppe das Medikament verabreicht. Eine zweite Gegengruppe erhält stattdessen ein Placebo-Präparat. Wurde ein signifikanter Wirksamkeitsnachweis bei einer grösseren Testgruppe von mindestens 200 Personen erbracht wurde, erhält das Präparat die Zulassung.
Dennoch wird Remdesivir bereits verwendet: Gillead Sciences hat das Medikament für den sogenannten «Compassionate Use» freigegeben: Befindet sich ein Patient in einem kritischen Zustand ohne Aussicht auf eine zugelassene Therapie, dürfen Ärzte nicht-zugelassene Präparate einsetzen.
Remdesivir seit kurzem nicht mehr verfügbar
Wie mehrere medizinische Medien berichten, musste Gliead Sciences die Ausgabe von Remdesivir vor wenigen Tagen stoppen. Problem sei der äusserst umfangreiche Einsatz im Rahmen des «Compassionate Use»: Da es noch keine Präparate gibt, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, greifen die Ärzte bei zahlreichen schweren COVID-19-Fällen auf Remdesivir zurück.
«Das System für den Zugriff in Notsituationen wurde nur für einen sehr begrenzten Zugang eingerichtet», erklärt Gilead in einer Pressemitteilung. «Das System, welches nie für den Einsatz als Reaktion auf eine Pandemie vorgesehen war, wurde überflutet.» Man arbeite jedoch in engem Kontakt mit den Behörden an einer schnellstmöglichen Ausweitung der Ausgabe.
Wirksamkeit noch immer nicht bewiesen
Nur, weil Remdesivir verbreitet gegen COVID-19 eingesetzt wird, heisst das noch nicht, dass die Wirksamkeit nachgewiesen ist. Den Wirksamkeits-Nachweis kann erst eine klinische Studie liefern. Phase-III-Studien, welche zur Zulassung benötigt werden, wurde im Schnellverfahren genehmigt, berichtet Gilead Sciences.
Vorerst bleibt es dabei: Es gibt noch kein Medikament, dessen Wirkung gegen das neue Coronavirus nachgewiesen ist. Doch die Ansätze sind vielversprechend – die ersten Durchbrüche könnten schon kurz bevor stehen.