Kamala Harris: Diesen Spagat muss sie am Parteitag schaffen
Parteitage im US-Wahljahr sind üblicherweise grosse Krönungsmessen. Diesmal ist alles anders – das wird von Kamala Harris erwartet.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Montag (Ortszeit) beginnt der viertägige Parteitag der Demokraten in Chicago.
- Laut dem USA-Experten Thomas Greven soll vor allem «die positive Dynamik» gestärkt werden.
- Ex-Präsident Donald Trump stösst zunehmend auf Kritik aus den eigenen Reihen.
Die US-Metropole Chicago ist in den kommenden Tagen Schauplatz eines grossen Spektakels im Präsidentschaftswahlkampf. Die Demokraten kommen ab Montag (Ortszeit) zu einem viertägigen Parteitag zusammen.
In diesem Jahr ist alles etwas anders als in früheren Wahljahren. Eigentlich hätte die Partei in Chicago Präsident Joe Biden offiziell zum Kandidaten für die Wahl im November küren sollen.
Doch der 81-Jährige stieg auf Druck seiner Partei im Juli in einer dramatischen Wende aus dem Rennen aus. Er machte Platz für seine Vizepräsidentin Kamala Harris, die bei der Zusammenkunft nun im Rampenlicht steht.
Offiziell nominiert sind Harris und ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz bereits. Die mehr als 4500 Delegierten aus allen Bundesstaaten gaben bereits Anfang August bei einem Online-Votum ihre Stimmen ab. Für beide wird es in Chicago laut Partei allerdings «feierliche und zeremonielle» Abstimmungen geben.
Parteitag soll «positive Dynamik» stärken
Trotz der bereits erfolgten Nominierung ist der Parteitag für den Wahlkampf der demokratischen Partei wichtig. USA-Experte Thomas Greven von der Freien Universität Berlin sagt gegenüber Nau.ch: «Der Parteitag dient dazu, die Partei weiter zu mobilisieren und die positive Dynamik der letzten Wochen zu stärken.»
Greven bezieht sich darauf, dass die Partei erstaunlich geeint sei. Von dieser Einigkeit war vor dem Rückzug von Präsident Joe Biden noch nicht viel zu spüren.
Die Frage, ob der sichtlich alternde Biden noch der richtige Präsidentschaftskandidat sei, zog einen Graben durch die Partei. Auch darüber, ob Noch-Vizepräsidentin Kamala Harris als Ersatzkandidatin antreten sollte, war man sich nicht einig.
Kamala Harris unter Druck
Nach dem Rückzug von Joe Biden gelang es Kamala Harris überraschend schnell, den Grossteil der Partei hinter sich zu vereinen. Dazu trug auch bei, dass ranghohe demokratische Politiker Harris offen ihre Unterstützung zusicherten. So etwa Ex-Präsident Barack Obama.
Diese Einheit zu bewahren, werde aber schwieriger, je konkreter das politische Programm werde, so Thomas Greven. Es gebe viele Fehler, die Kamala Harris auf dem Parteitag unterlaufen könnten.
«Es wird darauf ankommen, eine Message zu formulieren, die die Partei nicht wieder auseinanderreisst. Links genug, um die Basis zu motivieren, moderat genug, um die Grossspender nicht zu verprellen.» Ein Spagat also.
Spitzen-Demokraten treten auf dem Parteitag auf
Kamala Harris und Tim Walz werden bei dem Parteitag auftreten und mit grossen Reden ihre Nominierung feiern. Auch andere Hochkaräter aus der Partei werden sprechen, darunter Joe Biden.
Er dürfte im Wahlkampf eine zurückhaltende Rolle einnehmen. «Biden kann aber öffentlich, wie hinter den Kulissen helfen, die Einigkeit zu stiften», erklärt Thomas Greven.
Weiter werden Auftritte von den Ex-Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton erwartet. Auch Bills Ehefrau Hillary Clinton, die 2016 die Wahl gegen Donald Trump verlor, soll auftreten.
Die Partner von Harris und Walz dürften ebenfalls Auftritte geben. Daneben sind einige Show-Einlagen angekündigt. Und: Die Partei beschliesst ihr inhaltliches Programm für die Wahl.
Wie reagiert Donald Trump?
Donald Trump, der Widersacher von Kamala Harris, sieht sich zunehmend mit Kritik aus den eigenen Reihen konfrontiert. Die persönlichen Angriffe gegen Harris in seinen Reden sind einigen republikanischen Spitzenpolitkern ein Dorn im Auge. Sie befürchten, dass sich Donald Trump damit im Wahlkampf selbst schadet.
Nikki Haley, die Trump bei den parteiinternen Vorwahlen lange die Stirn geboten hatte, sagte kürzlich gegenüber dem TV-Sender «Fox News»: «Die Wahl lässt sich nicht gewinnen, indem Kamala Harris wegen ihrer Herkunft diskreditiert wird. Oder damit, dass sie als ‹dumm› bezeichnet wird.»
Auch Senator Lindsey Graham äusserte gegenüber «NBC» Kritik an den Stilmitteln, denen sich Donald Trump bedient. Graham, der als treuer Unterstützer Trumps bekannt ist, befürchtet, dass dieser deswegen die Wahl verlieren könnte.
Thomas Greven glaubt jedoch nicht, dass die Kritik aus den eigenen Reihen Donald Trump von seinem Kurs abbringt. «Es entspricht wohl einfach nicht Trumps Persönlichkeit, sich von irgendjemandem disziplinieren zu lassen.»