Ukraine-Krieg: Stopp der US-Hilfen wäre «schwerer Schlag»
Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj lieferten sich einen Schlagabtausch zum Ukraine-Krieg. Nun könnten US-Gelder gestoppt werden. Zwei Experten ordnen ein.
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Das Wichtigste in Kürze
- Die USA drohen der Ukraine mit einem Stopp der US-Hilfen im Ukraine-Krieg.
- Ein Experte warnt vor einem «schwerem Schlag» bei einer Einstellung der Hilfen.
- Europa sichert der Ukraine nach dem Eklat Unterstützung zu.
Am Freitagabend ist es im Weissen Haus zu einem denkwürdigen Eklat vor laufenden Kameras gekommen. US-Präsident Donald Trump machte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei dessen Besuch schwere Vorwürfe.
Selenskyj müsse dankbar für die US-Hilfen im Ukraine-Krieg sein, so Trump. Er warf ihm vor: «Sie setzen das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel. Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg.»
Und Trump drohte Selenskyj: «Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus!» Selenskyj verschränkte demonstrativ die Arme. Er wollte sich trotz Aufforderungen nach dem Gespräch nicht entschuldigen.
US-Experte Thomas Greven ordnet die Szenen bei Nau.ch ein.
«Wir haben entweder einen Blick hinter die Kulissen bekommen und den unbeherrschten und herrischen Trump gesehen, dessen Wutausbrüche und Kontrollverluste immer wieder kolportiert werden. Oder einen kalkulierten Schachzug, um das Ende der Unterstützung für die Ukraine zu rechtfertigen.»
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Dies, nachdem Selenskyj im Gegenzug für das Unterzeichnen des Rohstoffabkommens auf Sicherheitsgarantien bestanden hat.
Politikwissenschaftler zieht Vergleich zu alten Rom
Greven hält das Letztere für wahrscheinlich. Auch, weil sich der US-Vizepräsident J.D. Vance stark eingemischt habe.
«Es wirkte wie ein orchestriertes Spektakel – wie im alten Rom – wo die Gladiatoren zum Vergnügen des Publikums gegen Löwen kämpfen mussten. Wie diese hatte Selenskyj keine Chance gegen den koordinierten Angriff von Trump und Vance.»
Nun könnte es ganz übel für die Ukraine kommen: Laut einem Bericht der «Washington Post» könnten die USA nämlich die Militärhilfen für die Ukraine einstellen. Es geht um Radargeräte, Fahrzeuge, Munition und Raketen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar.
Eine Einstellung der Hilfen wäre laut dem Bericht eine Konsequenz der «wahrgenommenen Kompromisslosigkeit» Selenskyjs.
Experte: «US-Hilfen können nicht ohne Weiteres ersetzt werden»
«Das wäre ein schwerer Schlag», kommentiert Ulrich Schmid den möglichen US-Schritt gegenüber Nau.ch. Der St. Galler Professor für Osteuropastudien ist Experte für den Ukraine-Krieg.
«Die amerikanische militärische und wirtschaftliche Hilfe war bedeutend und kann nicht ohne Weiteres ersetzt werden», so Schmid.
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Der Experte warnt: «Für die Europäer wäre ein russischer Sieg in der Ukraine eine enorme Sicherheitsbedrohung.»
Vielen europäischen Staatslenkern sei klar, dass ein solches Szenario Folgekosten nach sich ziehen könnte. «Ich gehe davon aus, dass nun die europäischen Staaten ihre Ukrainehilfen verstärken werden.»
Selenskyj erhält nach Eklat zu Ukraine-Krieg europäische Unterstützung
Nach dem Eklat um den Ukraine-Krieg erhielt Wolodymyr Selenskyj viel Zuspruch aus Europa.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte: «Ich denke, es war richtig, dass wir der Ukraine geholfen haben und dies auch weiterhin tun werden.»
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz grenzte sich von Trump und dessen Positionen zum Ukraine-Krieg ab. «Niemand will Frieden mehr als die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine!», schrieb Scholz auf der Plattform X.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk schrieb: «Lieber Selenskyj, liebe ukrainische Freunde, ihr seid nicht allein.»
Und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schlug ein sofortiges Gipfeltreffen zwischen Europa und den USA vor. «Jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer und begünstigt die, die den Untergang unserer Zivilisation herbeiführen wollen», mahnte sie.
Auf Trumps Regierung ist «kein Verlass»
Osteuropa-Experte Ulrich Schmid kommentiert diese Äusserungen so: «Es ist vielen europäischen Staatslenkern nun endgültig klar geworden, dass auf die Trump-Regierung kein Verlass ist bei der Bekämpfung der russischen Aggression.»
Selenskyj werde sich nun auf die Sicherung der europäischen Unterstützung für die Ukraine konzentrieren.
Was bedeutet diese kritischen Äusserungen für die internationale Stellung der USA?
US-Experte Thomas Greven sagt zu Nau.ch: «Tatsächlich fällt die Kritik immer noch viel zu sanft aus, allerdings mit gutem Grund.»
Grund für diese Mässigung: die Hoffnung, dass sich die USA unter Trump nicht völlig auf die Seite der Diktaturen schlage.
«USA sind für das westliche Bündnis verloren»
Greven mahnt aber: «Tatsächlich aber ist diese USA wohl für das westliche Bündnis – jedenfalls für die westliche Wertegemeinschaft – vorläufig verloren.»
Und was bedeutet das für die Stellung Trumps in den USA?
Greven verweist darauf, dass Widerstand gegen Trumps Politik bislang eher innenpolitisch begründet sei – etwa wegen der anhaltenden Inflation. Und nicht wegen dem Ukraine-Krieg.
«Ich fürchte, zu wenige Amerikaner werden die internationale Politik aufmerksam genug verfolgen, um irritiert zu sein», so Greven. «Zudem ist die Unterstützung der Ukraine wegen der Kosten umstritten.»
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Auch die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter meldete auf X sich zu Wort. Sie bekräftigte das Schweizer Engagement für einen «gerechten und dauerhaften Frieden» in der Ukraine.
Gleichzeitig betonte sie, dass die Schweiz «Russlands Aggression gegen einen souveränen Staat» verurteile.