Abdelaziz Bouteflika ist zurückgetreten — was kommt jetzt?
Der Präsident von Algerien, Abdelaziz Bouteflika, tritt per sofort zurück. Wie geht es mit dem Land weiter? Professor Reinhard Schulze gibt eine Einschätzung.
Das Wichtigste in Kürze
- Der algerische Präsident ist nach Protesten zurückgetreten.
- Es ist eine Chance, aber auch ein Risiko.
- Teile der Opposition könnten sich radikalisieren.
Wochenlang wird in Algerien gegen Langzeit-Präsident Abdelaziz Bouteflika demonstriert. Dann überschlagen sich die Nachrichten. Zuerst hiess es, Bouteflika gehe Ende April. Und dann am Dienstag die Überraschung: Der amtierende Präsident tritt per sofort zurück.
In Algerien ist das für die Opposition ein Grund zum Feiern. Doch es stellt sich die Frage, wie es nach dem Ende der Präsidentschaft des schlaganfallgeplagten Mannes weitergeht. Für Reinhard Schulze von der Universität Bern ist klar: «Die Opposition hat eine Schlacht gewonnen.»
Doch dass – wie von der Opposition gewünscht – die alte Ordnung fällt, hält Schulze für unwahrscheinlich. Voraussichtlich folgt auf den 82-Jährigen interimistisch Abdelkader Bensalah. Der 77-Jährige werde von der Opposition kaum akzeptiert und gelte «als Kind der alten Ordnung».
Die jüngste Entwicklung in Algerien ist eine Chance
Laut der algerischen Verfassung müssen nun innert 90 Tagen Neuwahlen stattfinden. Schulze, emeritierter Professor für Islamwissenschaften und Direktor vom Forum Islam und Naher Osten, wertet die jüngste Entwicklung als Chance. Es könnte sein, dass die Elite des Landes «eine Reform des politischen Systems und eine Öffnung der Gesellschaft ermöglicht».
Doch wie jede Chance berge der Rücktritt des 82-jährigen Ex-Präsidenten auch Risiken. In Algerien wäre es eine erneute Eskalation. Während 1991 bis 2002 wütete im Land ein Bürgerkrieg.
«Die Gefahr besteht darin, dass der Rücktritt nichts anderes bedeutet als eine Erneuerung der alten Ordnung. Und dass sich Teile der bislang zivilgesellschaftlichen Opposition radikalisieren und die Spirale der Gewalt ins Land zurückkehrt», erklärt Schulze.
Rücktritt von Bouteflika löst Probleme nicht
Denn: Die grundsätzlichen Probleme Algeriens werden mit dem Rücktritt allein nicht gelöst. Schulze sieht folgende Probleme: Armut, Arbeitslosigkeit und mangelnde soziale Integration. Dazu kommt die Abschottung der Eliten, die zugleich den Reichtum des Landes unter sich verteilen.
Ob die wochenlangen Proteste und die Absetzung zu einer Demokratisierung führen, sei zurzeit schwer einzuschätzen. Der Druck der Strasse werde sicherlich zu einer partiellen Veränderung des Repräsentationssystems führen.
Doch reicht das? «Die Reichweite der Zugeständnisse wird daran ablesbar sein, wie die kommenden Präsidentschaftswahlen ablaufen werden», so Schulze. Bouteflika war während 20 Jahren der Präsident des nordafrikanischen Landes.