Abschuss von Flugzeug im Iran vermutet, Untersuchungen laufen weiter
Immer mehr deutet darauf hin, dass das Passagierflugzeug nach dem Start in Teheran von einer Rakete getroffen wurde. Der Iran hat mit der Untersuchung begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Mittwoch starben bei einem Flugzeug-Absturz nahe Teheran 176 Menschen.
- Der Westen vermutet, dass die Maschine irrtümlicherweise vom Iran abgeschossen wurde.
- Teheran will Fachleute aus allen beteiligten Ländern in die Untersuchungen einbeziehen.
Nach dem Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran verdichten sich die Hinweise auf einen versehentlichen Raketenbeschuss durch den Iran als Ursache.
Die USA gehen von einem Abschuss des Flugzeugs aus: «Wir glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass dieses Flugzeug durch eine iranische Rakete abgeschossen wurde.» Das sagte US-Aussenminister Mike Pompeo am Freitag im Weissen Haus. Pompeo betonte aber, man müsse die Untersuchung abwarten.
Zuvor hatten die Regierungen in Kanada und Grossbritannien mitgeteilt, nach eigenen Angaben Informationen zu besitzen, die auf den Abschuss durch eine iranische Rakete hinweisen.
Diese Theorie wird US-Medienberichten zufolge auch in den USA verfolgt. Auch eine kurze Videosequenz, die auf Twitter auftauchte, stützt diese Theorie.
Dabei ist deutlich zu sehen, wie das Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete getroffen wird. Wenige Sekunden nachdem am Himmel eine Explosion zu sehen ist, hört man einen Knall.
Exclusive: Video verified by The New York Times shows a Ukrainian airliner being hit over Tehran on Wednesday https://t.co/brU9ZRmRX9
— The New York Times (@nytimes) January 9, 2020
Das Video stellte ein User namens Nariman Gharib der «New York Times» zur Verfügung. Die Zeitung gibt an, die Echtheit der Aufnahme verifiziert zu haben. Offiziell wird die Ursache für den Absturz weiter untersucht.
Iranische Offizielle bezeichneten die These, dass die Maschine von einer iranischen Abwehrrakete abgeschossen worden sei, als technisch und wissenschaftlich absurd. Die Untersuchungen würden bald erweisen, dass die Amerikaner mit solche Gerüchten nur versuchten, das international angekratzte Image von Boeing nicht noch weiter zu beschädigen.
Ermittlungen haben offiziell begonnen
Die Ermittlung der Ursache des Absturzes hat am Freitag offiziell begonnen. Iranische und ukrainische Experten hätten ihre Arbeit in einem Labor am Flughafen Mehrabad in der Hauptstadt Teheran aufgenommen, gab der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, am Freitag im iranischen Fernsehen bekannt.
Laut Abedsadeh hat der Iran die technischen Möglichkeiten, die Informationen aus den Flugschreibern auszuwerten. Doch sei mit der ukrainischen Seite vereinbart worden, bei Bedarf weitere Software und Geräte aus dem Ausland zu besorgen. Auch sollte die Option nicht ausgeschlossen werden, die Flugschreiber im Ausland auszuwerten.
Regierungssprecher Ali Rabiei erklärte am Freitag, dass der Iran die Unterstützung aller relevanten Länder bei der Aufklärung des Absturzes begrüssen würde. Der Iran habe auch Boeing eingeladen, an den Untersuchungen teilzunehmen, sagte er laut Nachrichtenagentur Irna. Die US-Regierung solle bei der technischen Aufklärung der Absturzursache mithelfen, statt Lügen zu verbreiten und «Psychospielchen» zu betreiben.
176 Tote bei Absturz
Das Flugzeug mit 176 Menschen an Bord war am Mittwoch abgestürzt, kurz nachdem der Iran zwei von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak angegriffen hatte.
Bei dem Absturz gab es keine Überlebenden. Der Iran will nun auch Fachleute unter anderem aus den USA in die Untersuchungen einbeziehen. Die Nationale Behörde für Transportsicherheit in Washington erklärte, dass sie sich an der Untersuchung beteilige.
Das Flugzeug war am Mittwoch auf dem Weg von Teheran nach Kiew kurz nach dem Start abgestürzt. Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss zurückgewiesen und einen technischen Defekt als Ursache angeführt. Unter den Absturzopfern waren 63 Kanadier.
Ein Sprecher der iranischen Regierung nannte der Raketen-Vorwurf eine «grosse Lüge». Die USA würden Falschinformationen verbreiten.
Kanadas Premier geht von Abschuss aus
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte am Donnerstag, seine Regierung habe Informationen «von mehreren Quellen, von unseren Alliierten und eigene Informationen».
Die Beweise seien «sehr klar». Der britische Regierungschef Boris Johnson sprach einer Mitteilung zufolge von einem «Korpus an Informationen», der auf einen Abschuss durch eine iranische Rakete hinweise.
Der US-Sender CBS berichtete, US-Geheimdienste hätten Signale von einem Radar empfangen, das eingeschaltet worden sei. US-Satelliten hätten ausserdem den Start von zwei Boden-Luft-Raketen kurz vor der Explosion des Flugzeugs entdeckt.
CNN berichtete, der Theorie eines versehentlichen Abschusses durch den Iran lägen die Analyse von Satelliten-, Radar- und anderen elektronischen Daten zugrunde, die routinemässig vom US-Militär und den Geheimdiensten gesammelt würden.
Iran fordert Beweise von Kanada
Der Iran hat nach den Aussagen von Kanadas Premier die Übergabe der entsprechenden Geheimdienstinformationen verlangt. Die kanadische Regierung solle diese Informationen mit einer vom Iran eingesetzten Untersuchungskommission «teilen», erklärte am Donnerstag das Aussenministerium in Teheran.
Es bezeichnete den von verschiedenen Seiten geäusserten Verdacht, Raketenbeschuss könnte den Absturz verursacht haben, als «zweifelhafte Szenarien». Das iranische Verkehrsministerium erklärte dagegen: «Diese Geschichte eines Raketeneinschlags im Flugzeug kann gar nicht korrekt sein.»
Zum Zeitpunkt des Absturzes seien «mehrere inländische und internationale Flüge auf der gleichen Höhe von 8000 Fuss» im iranischen Luftraum unterwegs gewesen.
Blackbox soll im Iran untersucht werden
Die Ukraine hat bereits eigene Experten in den Iran geschickt. Der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, gab am Donnerstagabend im iranischen Fernsehen bekannt, dass der Iran auch Boeing-Fachleute aus den USA, Kanada und Frankreich an den Untersuchungen zur Absturzursache der ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran beteilige.
Die Blackbox des Flugzeuges solle im Iran untersucht werden. Falls dies aber aus technischen Gründen nicht möglich sein sollte, wären auch Untersuchungen im Ausland denkbar.
Es sollten alle technischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, um die Absturzursache umgehend zu klären, sagte Abedsadeh. Die Vermutung, die Maschine sei von einem iranischen Raketenabwehrsystem getroffen worden, bezeichnete er technisch und wissenschaftlich als absurd.
Vielmehr sei er der Auffassung, dass die Amerikaner solche Gerüchte in die Welt setzten, um das bereits international angekratzte Image von Boeing nicht noch weiter zu beschädigen.