Alexej Nawalny: Anhänger machen sich Sorgen
Die russische Justiz hat Alexej Nawalny in einem Eilverfahren zu 30 Tagen U-Haft verurteilt. Seine Anhänger machen sich grosse Sorgen um den Kreml-Kritiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Alexej Nawalny ist nach der Rückkehr nach Russland zu 30 Tagen U-Haft verurteilt worden.
- Seine Anhänger machen sich deswegen grosse Sorgen um den Kreml-Kritiker.
- Der 44-Jährige selbst rief kurz nach der Verurteilung zu Grossprotesten auf.
Es sind klare Worte, die Alexej Nawalny in einem Video an seine Anhänger richtet: «Schweigt nicht! Wehrt Euch! Wir sind viele und können etwas erreichen!»
Und: «Habt keine Angst, geht demonstrieren. Nicht für mich, sondern für eure Zukunft – für ein freies Russland!» Der kurze Clip wurde von seiner Sprecherin in den sozialen Medien gepostet.
Nawalny befand sich während der Aufnahme noch auf dem Polizeiposten in Chimki, einem Vorort von Moskau. Nur kurze Zeit zuvor wurde das Urteil gegen ihn verlesen.
Nach nur vier Stunden Prozess verurteilte ihn eine Richterin «wegen wiederholter Verstösse gegen die Bewährungsauflagen» zu 30 Tagen Untersuchungshaft. Die Haft gelte bis zum 15. Februar, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Montag mit.
Der Kreml-Kritiker rechnete vor der Verurteilung eigentlich damit, dass er seine Anwälte auf dem Polizeiposten treffen würde. Doch die Sicherheitsbehörden hatten entschieden, eine Richterin auf das Revier zu schicken und ihm gleich dort den Prozess zu machen.
Laut dem «Spiegel» waren zu dem Prozess nur Journalistinnen und Journalisten der Staatsender «Life News» und Rossija 1» zugelassen. Alle anderen hätten «draussen bei minus 18 Grad ausharren müssen», so die Zeitung.
Auch etwa 200 Nawalny-Unterstützer seien vor Ort gewesen und hätten «Lasst ihn frei!» und «Freiheit für Alexej Nawalny!» skandiert.
Anhänger besorgt über Gefängnis «Matrosenruhe»
Es ist das erste Mal, dass der 44-jährige Alexej Nawalny länger in einem Untersuchungsgefängnis einsitzen muss. Dort sind die Bedingungen härter als bei Arreststrafen, die er bisher absitzen musste. Unter anderem sind Kontakte zur Aussenwelt viel beschränkter.
Sein Team zeigte sich besorgt. Iwan Schdanow, Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung schrieb am Montagabend auf Twitter: «Er wird in das berüchtigte Gefängnis Matrosenruhe in Moskau gesperrt.» Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
In dem Gefängnis gab es immer wieder rätselhafte Todesfälle. Unter anderen starb dort im Jahr 2009 der Anwalt Sergej Magnitski. Ein Teil der Untersuchungshaftanstalt werde vom Inlandsgeheimdienst FSB kontrolliert, schrieb Schdanow: «eben der FSB, der versucht hat, Nawalny zu vergiften».
Ob es bei den 30 Tagen U-Haft bleiben wird, dürfte sich am 2. Februar zeigen. Dann soll nämlich ein Gericht darüber verhandeln, ob eine umstrittene Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2014 in eine Gefängnisstrafe umgewandelt wird. Sollten gegen Alexej Nawalny entschieden werden, würden aus 30 Tagen U-Haft plötzlich dreieinhalb Jahre Lagerhaft.
Internationale Kritik an Russland
Das Entsetzen über den Umgang mit dem Oppositionellen ist gross. Zahlreiche Staaten, darunter die USA und Frankreich, übten scharfe Kritik an Russland. Die EU und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderten den Kreml dazu auf, den Gegner von Putin umgehend freizulassen.
«Die russischen Behörden haben das Opfer eines Mordanschlags mit C-Waffen verhaftet und nicht die Täter.» Das sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Alexej Nawalny war im August in Russland Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden. Daraufhin wurde er in Deutschland behandelt.
Am Sonntag kehrte er nach Russland zurück und wurde gleich nach seiner Landung in Moskau festgenommen. Er sei zur Fahndung ausgeschrieben gewesen, teilte der Strafvollzug zur Begründung mit.
Der Kremlkritiker soll während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstossen haben.
Aussenminister Lawrow: «Sache der russischen Sicherheitsorgane»
Russland zeigte sich von Kritik völlig unbeeindruckt. Die russische Führung schwieg weitgehend zu dem Verfahren um Alexej Nawalny. Aussenminister Sergej Lawrow gab in Moskau zwar seine jährliche Pressekonferenz. Dabei betonte er aber, er sei für die rechtliche Seite des Falls in Russland nicht zuständig.
Das sei Sache der russischen Sicherheitsorgane. Gleichwohl forderte er Deutschland erneut scharf dazu auf, Beweise für eine Vergiftung Nawalny vorzulegen. «Erfüllen Sie Ihre internationalen Verpflichtungen», forderte Lawrow.
Russland habe bei Nawalny keine Vergiftung mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok nachweisen können und leite deshalb keine Ermittlungen ein. Er schlug alternativ vor, dass russische Ärzte und ihre westlichen Kollegen gemeinsam die Proben untersuchen könnten – «damit Vertrauen entsteht».
Mehrere Labore, darunter eins der Bundeswehr, hatten im Blut Nawalnys das Nervengift Nowitschok nachgewiesen. Die EU verhängte deshalb auch Sanktionen gegen Vertreter des russischen Machtapparats.
Landesweite Demonstrationen geplant
Der Demonstrationsaufruf von Alexej Nawalny ist durchaus riskant. Solche Aufrufe werden in Russland immer wieder hart bestraft. Demonstrationen sind nur mit Genehmigung möglich. Eine Erlaubnis gibt es aber wegen der Corona-Pandemie schon seit langem nicht mehr.
Mehrere Demonstranten wurden festgenommen. So auch bereits am Sonntag, als Hunderte Menschen auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo die Ankunft des Politikers aus Berlin erwarteten. Insgesamt gab es in Russland allein am Sonntag etwa 70 Festnahmen.
Trotzdem wollen seine Büros im ganzen Land für Samstag den 23. Januar Demonstrationen organisieren. Es ist eine weitere Kampfansage an das Regime – Nawalny wird nicht lockerlassen, auch wenn er in Haft sitzt.