Machtkampf zwischen Militär und Demonstranten im Sudan eskaliert
Bei der gewaltsamen Auflösung des zentralen Protestlagers durch die Armee im Sudan sind nach Angaben von Ärzten «mehr als 30 Menschen» getötet worden.
Das Wichtigste in Kürze
- Ärzte: Mehr als 30 Tote - Militärrat dementiert Gewalt gegen Sitzblockade.
Hunderte weitere Menschen seien bei der Räumung der Sitzblockaden in der Hauptstadt Khartum verletzt worden, teilte das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte am Montag mit. Zuvor war von mindestens 13 Toten die Rede gewesen. Die Militärregierung dementierte den Einsatz von Sicherheitskräften gegen die Protestkundgebung.
«Die Zahl der Toten des Massakers gegen die Sitzblockade (...) ist auf mehr als 30 gestiegen», teilte das Ärztekomitee mit, das der Protestbewegung nahesteht. Es sei schwierig, die Zahl der Opfer zu ermitteln, da Sicherheitskräfte Krankenhäuser umstellt hätten.
Seit rund zwei Monaten hatten tausende Demonstranten die Strassen um das Armeehauptquartier in Khartum besetzt. Sie forderten eine zivile Regierung für den Sudan. Der Militärrat hatte die Protestkundgebungen als «Gefahr für die Sicherheit und den öffentlichen Frieden» bezeichnet.
Die Allianz für Freiheit und Wandel, in der die Protestbewegungen zusammengeschlossen sind, erklärte, die Blockaden seien von Armee, Polizei und Milizen aufgelöst worden. Die Umgebung des Militärhauptquartiers sei leer - abgesehen von den Leichen getöteter Demonstranten.
Kurz zuvor hatte die Allianz zu landesweiten Demonstrationen gegen das Vorgehen der Armee aufgerufen. Der politische Kontakt und die Gespräche mit der Militärregierung seien vollständig abgebrochen worden, erklärte das Oppositionsbündnis.
Der an der Spitze der Proteste stehende Berufsverband SPA sprach von einem «blutigen Massaker». Er rief die Bevölkerung zum «totalen zivilen Ungehorsam» mit dem Ziel auf, den Militärrat zu stürzen. In mehreren anderen Städten des Landes kam es nach Angaben von Augenzeugen zu Protesten.
Nach Angaben des Ärztekomitees eröffneten die Sicherheitskräfte in Khartum auch in einem Krankenhaus das Feuer und vertrieben «friedliche Protestierende». Ein weiteres Krankenhaus in der Nähe der Blockaden sei von Sicherheitskräften blockiert worden.
Die Armee dementierte die Berichte über eine blutige Auflösung der Kundgebung. «Wir haben die Blockade nicht gewaltsam aufgelöst», sagte ein Sprecher. Vielmehr seien Sicherheitskräfte gegen ein weiteres Treffen in einer nahe gelegenen, «gefährlichen» Gegend Khartums vorgegangen. Viele Teilnehmer dieser Versammlung seien «entkommen» und hätten sich anschliessend in die Gegend der Strassenblockaden begeben. Viele junge Demonstranten hätten die Blockaden daraufhin verlassen.
Auf den Strassen von Khartum wurde die Militärpräsenz deutlich verstärkt, wie ein AFP-Journalist berichtete. Mit Maschinengewehren bewaffnete Sicherheitskräfte in Geländewägen positionierten sich in grosser Zahl in der Stadt.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte die Gewalt der Sicherheitskräfte scharf und forderte eine unabhängige Untersuchung der Todesfälle. Der für Afrika zuständige US-Aussenstaatssekretär Tibor Nagy verurteilte die «brutale» Niederschlagung der Demonstranten und forderte die Einsetzung einer Zivilregierung.
Der britische Botschafter in Khartum, Irfan Siddiq, twitterte, es gebe «keine Entschuldigung für derartige Angriffe». Das Vorgehen gegen die Demonstranten müsse sofort eingestellt werden. Ägypten rief beide Seiten zu Ruhe und Gesprächen auf.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte im Kurzbotschaftendienst Twitter: «Gewalt gegen Protestierende ist nicht zu rechtfertigen und muss sofort aufhören. Wir rufen die Verhandlungspartner auf, Eskalation zu vermeiden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.»
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die internationale Gemeinschaft auf, «alle Formen friedlichen Drucks in Betracht zu ziehen», einschliesslich gezielter Sanktionen gegen die Übergangsregierung.
Im Sudan hatte nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Omar al-Baschir infolge von monatelangen Massenprotesten im April ein Militärrat die Führung übernommen. Mit diesem einigte sich die Protestbewegung Mitte Mai grundsätzlich darauf, dass ein gemeinsamer Übergangsrat die Geschicke des Landes in den kommenden drei Jahren lenken soll. Seither herrscht aber Streit darüber, welche Seite dieses Gremium führen soll.