Ärzte ohne Grenzen sehen wegen Coronavirus «humanitäre Katastrophe» in Brasilien
«Fehlender politischer Wille, auf die Pandemie angemessen zu reagieren, ist für den Tod tausender Brasilianer verantwortlich», erklärte die Organisation.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert die Corona-Politik Brasiliens.
- Das Land verzeichne mehr als 26 Prozent der Pandemie-Todesopfer weltweit.
- Die Reaktion auf Covid-19 in Brasilien müsse dringend verbessert werden.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sieht Brasilien angesichts der anhaltenden Ausbreitung des Coronavirus in einer «humanitären Katastrophe». «Fehlender politischer Wille, auf die Pandemie angemessen zu reagieren, ist für den Tod tausender Brasilianer verantwortlich», erklärte die Organisation am Donnerstag. Auch gut ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie gebe es keine effiziente und koordinierte Reaktion auf die Gesundheitskrise.
Brasilien habe sich aktuell zu einem Epizentrum der Pandemie entwickelt und verzeichne mehr als 26 Prozent der Todesopfer weltweit – obwohl die etwa 212 Millionen Einwohner des südamerikanischen Landes nur drei Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. Am 8. April hatte die Zahl der täglichen Todesfälle mit 4249 ihren bisherigen Höchststand erreicht.
«Die brasilianischen Behörden haben der ungebremsten Ausbreitung von Covid-19 seit einem Jahr einfach zugesehen», kritisierte Christos Christou, der internationale Präsident von Ärzte ohne Grenzen. Ihre Weigerung, faktenbasierte Massnahmen für die öffentliche Gesundheit umzusetzen, habe viel zu viele Menschen zu früh zu Tode kommen lassen. «Die Reaktion auf Covid-19 in Brasilien muss dringend verbessert und an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden, um weitere vermeidbare Todesfälle und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems (...) zu verhindern.»
Volle Intensivstationen
Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro hatte die Bedrohung durch das Virus immer wieder verharmlost und Restriktionen des öffentlichen Lebens durch die Regionalbehörden kritisiert.
In der vergangenen Woche waren die Intensivstationen nach Angaben von MSF in 21 der 27 Hauptstädte der Bundesstaaten voll. Landesweit gebe es in den Krankenhäusern Engpässe beim überlebenswichtigen Sauerstoff. Menschen mit Überlebenschancen würden sterben, weil sie ohne die notwendige medizinische Hilfe blieben.
Falschinformationen und die Politisierung von Massnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten verschärfen die Situation laut Ärzte ohne Grenzen. Die Impfkampagne laufe «nur mit halber Geschwindigkeit». Bislang seien nur etwa elf Prozent der Menschen mit mindestens einer Dosis geimpft worden.