Berg-Karabach: Diese Rolle spielen Erdogan und Putin im Konflikt
Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet Berg-Karabach ist wiederaufgeflammt. Dabei spielen die Türkei und Russland eine wichtige Rolle.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Sonntag gibt es in der südkaukasischen Region Berg-Karabach wieder Kampfhandlungen.
- Die Türkei stellt sich offen auf die Seite von Aserbaidschan.
- Armenien wiederum setzt auf den Rückhalt Russlands.
Im Südkaukasus ist ein Jahrzehnte alter Konflikt wiederaufgeflammt: Seit Sonntag beschiessen sich in der umstrittenen Region Berg-Karabach aserbaidschanische und armenische Soldaten. Bis Montagabend wurden insgesamt 89 Tote und viele Verletzte gemeldet.
Der Streit zwischen Aserbaidschanern und Armeniern um das Gebiet führte bereits nach dem Ende der Sowjetunion zu einem Krieg. Dieser hatte damals rund 30'000 Tote zur Folge. Seit 1994 gilt ein Waffenstillstand, der aber immer wieder gebrochen wurde. Seither wird die mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnte Region zwar von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zu Aserbaidschan.
Die aktuelle Eskalation ist auch deshalb gefährlich, weil beide Staaten starke Verbündete hinter sich haben: Aserbaidschan hat in der Türkei einen Alliierten, Armenien setzt auf den Schutz von Russland.
Türkei hat diplomatische und militärische Beziehung zu Aserbaidschan intensiviert
Die Türkei sieht das muslimische und turksprachige Aserbaidschan schon traditionell als Verbündeten, zudem verbindet sie ein Militärbündnis. Zuletzt versprach Recep Tayyip Erdogan dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew mehr «verstärkte» Solidarität. «Die Region wird erneut Frieden und Ruhe finden, wenn Armenien den von ihm besetzten aserbaidschanischen Boden sofort verlässt», sagte Erdogan am Montag.
Wohl mit Rücksicht auf Russland hielt sich die Türkei diesbezüglich jedoch lange diplomatisch und militärisch zurück. Denn der Kreml sieht den Südkaukasus als vorgelagerte Sicherheitszone südlich der russischen Grenzen. Doch in den vergangenen Wochen demonstrierte Erdogan militärische Unterstützung, in Aserbaidschan fanden gemeinsame Manöver statt.
Es ist offen, ob sich deshalb noch türkische Streitkräfte und Kampfjets im Land befinden. Zudem gibt es Berichte, wonach auf aserbaidschanischer Seite von der Türkei finanzierte syrische Söldner kämpfen.
Aggressivere Aussenpolitik als Antwort auf innenpolitischen Druck
Einer der Hauptgründe für die aggressivere Haltung Erdogans dürfte der hohe innenpolitische Druck sein. Einerseits befindet sich das Land schon länger in einer wirtschaftlichen Krise. Andererseits geht es ihm mit Hinblick auf die nächsten Wahlen darum, bei konservativen Wählern zu punkten.
Dazu bietet sich die Solidarität mit einem «Bruderstaat» wie Aserbaidschan bestens an, zumal auch das Thema Armenien in der Türkei nicht zu unterschätzen ist. Noch immer erkennt die türkische Regierung die Massaker, die während der Osmanen-Zeit an Armeniern begangen worden sind, nicht als Völkermord an.
Auch das Bestreben nach einer Grossmachtrolle im Stil des Osmanischen Reiches durch die Einsätze in Syrien und Libyen oder durch den Gasstreit mit Griechenland passt zu dieser Strategie. Mit dem Konflikt um Berg-Karabach könnte Erdogan zudem ein Zeichen gegen Wladimir Putin im Kampf um die regionale Vorherrschaft setzen wollen. Die Türkei und Russland stehen auch in den Konflikten in Syrien und Libyen nicht auf der selben Seite.
Offener Krieg nicht im Interesse Russlands
Der Kreml wiederum nutzt den ungelösten Konflikt im Südkaukasus schon länger aus, um den Einfluss in der Region zu sichern. Russland beliefert seit Jahren beide Seiten mit Waffen, obwohl der Staat eine Beistandsklausel mit Armenien hat. Diese gilt jedoch nicht für Berg-Karabach.
Putin bietet sich deswegen als Vermittler an und versucht so, die Aserbaidschaner und Armenier zu Gesprächen zu bewegen. Bei einem offenen Krieg droht der Verlust der Kontrolle über die regionale Vorherrschaft. Das wiederum würde das Tor nicht nur für die Türkei, sondern allenfalls auch für den südlich gelegenen Iran öffnen.