Bundeswehr trainiert Verteidigung mit Atomwaffen
Ein neues russisches Waffensystem hat in Europa lange vergessene Ängste vor einem möglichen Atomkrieg geweckt. Auch wenn es keine direkte Verbindung gibt: In Deutschland und Niederlanden übt die Nato in diesen Tagen für den Ernstfall.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Luftwaffe trainiert mit Nato-Partnern für das Schreckensszenario eines Atomkriegs.
Nach Informationen der Deutschen-Presse Agentur hat in dieser Woche eine geheime Bündnisübung mit dem Namen «Steadfast Noon» begonnen.
Dabei wird unter anderem der Einsatz von Jagdbombern trainiert, die im Kriegsfall mit Atomwaffen bestückt werden könnten. Die Bundeswehr beteiligt sich mit Tornados des taktischen Luftwaffengeschwaders 33 an der Übung. Die Kampfjets sind auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert, wo nach offiziell nicht bestätigten Angaben taktische US-Atomwaffen vom Typ B61 lagern.
Die B61 könnten im Rahmen der «nuklearen Teilhabe» in der Nato im Ernstfall auch von deutschen Tornados abgeworfen werden und dann zum Beispiel gegnerische Streitkräfte ausschalten. Weitere US-Atomwaffen sollen in Italien, Belgien, der Türkei und den Niederlanden lagern.
Nach Angaben von Militärexperten wird bei den regelmässig stattfindenden «Steadfast Noon»-Manövern unter anderem geübt, wie man die US-Atomwaffen sicher aus unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert. Bei Übungsflügen wird dann allerdings ohne Bomben geflogen. Nach im Internet veröffentlichten Fotos nehmen neben deutschen Jets in diesem Jahr unter anderem Kampfflugzeuge aus Italien an den Manövern teil. Sie starteten vom Militärflugplatz Volkel in den Niederlanden, wo wie in Büchel US-Atomwaffen lagern sollen.
Informationen zum Szenario der Übung gab es zunächst nicht. Der Nuklearwaffenexperte Hans Kristensen wies allerdings darauf hin, dass das Manöver kurz nach dem Eintreffen amerikanischer B-52-Bomber in England stattfinde. Dies werde zumindest von Russland nicht als Zufall gewertet werden, sagte der Leiter des «Nuclear Information Project» der Federation of American Scientists (FAS) dpa.
Die US-Streitkräfte überschrieben eine Mitteilung zur Ankunft der Flugzeuge im britischen Gloucestershire mit den Worten: «Gegner aufgepasst: Bomber sind zurück und startklar.»
Die Gefahr eines auch mit Atomwaffen geführten Krieges gilt derzeit als deutlich höher als in den vergangen drei Jahrzehnten. Grund ist vor allem das Ende des INF-Vertrags zum Verzicht auf landgestützte atomwaffenfähige Mittelstreckensysteme. Die USA hatten das Abkommen im Sommer mit Rückendeckung der Nato-Partner aufgelöst, weil sie davon ausgehen, dass Russland es seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletzt.
Militärexperten rechnen damit, dass es nun zu einem neuen Rüstungswettlauf kommen könnte. Die USA arbeiten so bereits an einem neuen mobilen bodengestützten Mittelstreckensystem, das in Zeiten des INF-Vertrags illegal gewesen wäre. Es soll nach derzeitiger Planung ausschliesslich konventionelle - das heisst nicht-atomare - Sprengköpfe transportieren. Ob es dabei bleibt, ist allerdings unklar.