Burma: Militär nimmt De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi fest
Das Militär im früheren Burma hat De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi festgenommen. Sie ruft die Bevölkerung dazu auf, den Putsch nicht hinzunehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Myanmar wurde De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi vom Militär festgenommen.
- Auch weitere ranghohe Politiker des Landes sind offenbar festgesetzt worden.
- Vorausgegangen waren Spannungen zwischen der zivilen Regierung und dem mächtigen Militär.
Im früheren Burma hat das Militär die zivile Führung des südostasiatischen Landes um De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet. Für die Dauer eines Jahres wurde der Notstand ausgerufen.
Das berichtete der vom Militär kontrollierte Fernsehsender Myawaddy am Montagmorgen. Der frühere General und bisherige Vize-Präsident Myint Swe fungiere nun als Übergangs-Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht liegt demnach aber bei Armeechef Min Aung Hlaing, der im Notstand die oberste Befehlsgewalt hat.
Zuvor waren Burmas De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und weitere ranghohe Politiker des Landes vom Militär festgenommen worden. Dies gab ihre Partei an. Dazu kam es in der Nacht zum Montag (Ortszeit).
Das sagte Myo Nyunt, ein Sprecher der Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) der Deutschen Presse-Agentur. Unter den Festgenommenen befindet sich etwa auch Staatspräsident Win Myint.
Suu Kyi wendet sich an Bevölkerung
Der britische Sender BBC berichtete von Soldaten in den Strassen der Hauptstadt Naypyitaw und der grössten Stadt Yangon. Telefonleitungen und das Internet in Naypyitaw seien gekappt worden. NLD-Parteisprecher Myo Nyun rechnete eigenen Angaben zufolge ebenfalls mit seiner baldigen Festnahme durch Sicherheitsbeamte. «Ich erwarte jeden Moment ihre Ankunft», sagte er der dpa.
In einer Erklärung hat Suu Kyi die Bevölkerung aufgefordert, den Militärputsch im Land nicht hinzunehmen. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) veröffentlichte das einseitige Schriftstück mit Aussagen der Friedensnobelpreisträgerin am Montag auf Facebook.
Die Machtübernahme der Armee zeige keinerlei Respekt für die Corona-Pandemie. Sie ziele nur darauf ab, das Land wieder unter eine Militärdiktatur zu stellen, hiess es. «Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren.»
Suu Kyi hatte sich im November die absolute Mehrheit gesichert
Vorausgegangen waren Spannungen zwischen der zivilen Regierung und dem mächtigen Militär wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl vom November. Seit Tagen gab es Gerüchte über einen möglichen bevorstehenden Militärputsch. Der Parteisprecher selbst rechnete eigenen Angaben zufolge ebenfalls mit seiner baldigen Festnahme durch Sicherheitsbeamte.
Doch auch nach der Wahl blieb Suu Kyi auf die Kooperation mit dem Militär angewiesen. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern blieb für die Streitkräfte reserviert. So steht es in der Verfassung von 2008, die die Junta aufgesetzt hatte. Dies, um auch nach der Einleitung demokratischer Reformen nicht entmachtet zu werden.
Die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi hatte sich bei der jüngsten Parlamentswahl im November eine zweite Amtszeit gesichert. Ihre Partei NLD holte nach offiziellen Angaben die absolute Mehrheit, die Wahlbeteiligung lag über 70 Prozent.
USA fordert Freilassung von Suu Kyi
Die US-Regierung hat besorgt auf die Machtübernahme des Militärs in Burma reagiert. Sie hat die sofortige Freilassung von den festgesetzten Politikern gefordert. Das Militär müsse «den Willen des Volkes von Myanmar respektieren, der bei den demokratischen Wahlen vom 8. November zum Ausdruck gebracht wurde», forderte US-Aussenminister Antony Blinken am Sonntagabend (Ortszeit).
«Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Menschen in Myanmar bei ihrem Streben nach Demokratie, Freiheit, Frieden und Entwicklung. Das Militär muss diese Schritte rückgängig machen.» Präsident Joe Biden wurde nach Angaben des Aussenministeriums über die Situation in dem südostasiatischen Land informiert.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Übernahme der Regierungsmacht und Aufhebung der Gewaltenteilung durch das Militär. «Diese Entwicklungen bedeuten einen schweren Schlag für die demokratischen Reformen in Myanmar», liess der UN-Chef über seinen Sprecher mitteilen.
Die NLD habe bei der Wahl ein «starkes Mandat» des Volkes in Myanmar bekommen. Dieses sehne sich nach Demokratie, Frieden, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Ähnlich äusserten sich weitere Staaten sowie «Human Rights Watch» und andere Menschenrechtsorganisationen. Sie fordern die Freilassung Suu Kyis und anderer vom Militär festgesetzter Politiker.
Suu Kyi zeigt zunehmenden autoritären Regierungsstil
Wegen einer anderen Klausel kann Suu Kyi nicht Präsidentin werden, sondern regiert als Staatsrätin und somit De-Facto-Regierungschefin das frühere Burma. Ohne das Militär sind auch Verfassungsänderungen nicht möglich, zudem kontrolliert es die wichtigsten Ministerien.
Suu Kyi hatte unter der jahrzehntelang herrschenden Militärdiktatur 15 Jahre unter Hausarrest gestanden. International ist die frühere Freiheitsikone mittlerweile umstritten.
Burma: Reformen bleiben aus
So sind die versprochenen demokratischen Reformen in dem buddhistisch geprägten Land bislang weitgehend ausgeblieben. Suu Kyi zeigt inzwischen selbst einen immer autoritäreren Regierungsstil.
Auch wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres Schweigens zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit wird Suu Kyi kritisiert. Mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen.
In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag hatte Suu Kyi die Vorwürfe 2019 zurückgewiesen. Von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen, sagte sie damals.
1,5 Millionen Menschen von Abstimmung ausgeschlossen
An der Legitimität der Parlamentswahl hatten Wahlbeobachter bereits im Vorfeld der Abstimmung Zweifel angemeldet. Grund: Die Wahlkommission hatte entschieden, dass in mehreren von ethnischen Minderheiten dominierten Konfliktregionen wegen Sicherheitsbedenken gar nicht gewählt werden durfte.
Damit seien 1,5 Millionen Menschen von der Abstimmung ausgeschlossen worden, kritisierten Menschenrechtler im November. Zudem konnten Hunderttausende im früheren Burma verbliebene Rohingya nicht teilnehmen, nachdem ihnen 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen worden war. «Human Rights Watch» sprach von einer Wahl mit «grundlegenden Mängeln».