Coronavirus: Forscher besorgt über Brasilien-Variante
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Experten müsste die brasilianische Stadt Manaus eine Herden-Immunität aufweisen.
- Dennoch erleben die Menschen im Amazonas-Staat eine verheerende zweite Welle.
- Der Grund dafür ist die neue P1-Variante, diese könnte der Immunität entkommen.
Manaus ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Amazonas und gilt als eine der am härtesten vom Coronavirus getroffenen Regionen der Welt. Während der ersten Welle haben sich dort laut Schätzungen von Experten rund drei Viertel der Bevölkerung infiziert. Das heisst: Eigentlich müsste in Manaus eine gewisse Herden-Immunität bestehen.
Nachdem im Dezember jedoch die neue P1-Variante des Coronavirus auftauchte, stiegen die Fallzahlen in der Stadt mit rund zwei Millionen Einwohnern wieder stark an. Laut Wissenschaftlern weist diese Entwicklung darauf hin, dass P1 möglicherweise Antikörpern des Immunsystems ausweichen kann. Oder in anderen Worten: Die brasilianische Variante könnte möglicherweise der Immunität entkommen.
Dies könnte wiederum bedeuten, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigt wäre, da diese auf dieselben Antikörper setzen und auf der Grundlage des ersten in Wuhan identifizierten Virus entwickelt wurden. Diese Annahme wurde bisher aber noch nicht ausreichend erforscht.
Die brasilianische Variante ist vermutlich bis zu 50 Prozent ansteckender als die britische und die südafrikanische Variante und wurde laut der WHO bisher in acht Ländern nachgewiesen. Letzte Woche waren es erst zwei Länder. Zuerst wurde die Variante Anfang Januar in Japan entdeckt – und zwar bei Reisenden aus Manaus.
Herden-Immunität für neue Variante verantwortlich?
Professorin Weny Barclay, eine Top-Virologin am Imperial College in London sagte gegenüber der «Daily Mail», dass die Herden-Immunität in Manaus den regulären Covid-Stamm evolutionär unter Druck gesetzt haben könnte, sich anzupassen, um die natürliche Immunität gegenüber der Originalversion überwinden zu können.
Experten merkten an, dass Manaus besonders anfällig für das Coronavirus sei. Die Stadt gilt als sehr arm und viele Arbeiter leben in überfüllten Wohnungen mit mehreren Generationen zusammen.
Manaus ist zudem eine Freihandelszone und eine der grössten Exportstädte Brasiliens mit häufigem Verkehr aus Europa und Asien. Da Corona in natürlicher Weise mutiert, wenn es von Mensch zu Mensch weitergegeben wird, bot Manaus den perfekten Nährboden für die Entwicklung des Virus.
Professor Bill Hanade, ein Epidemiologe an der Harvard Universität erklärte: «Obwohl wir nicht genau wissen, warum diese Variante in Brasilien so erfolgreich war, verspricht keine der Erklärungen gutes.»
Am Mittwoch meldete die Nachrichtenagentur AFP, dass sich P1 zur dominierenden Variante in Manaus entwickelt hat. Die Situation in der Amazonas-Stadt ist verheerend: Es gibt nicht mehr genügend Sauerstoff oder Betten für die Covid-Patienten.
Moderna und Pfizer arbeiten an «Boostern»
Die P1-Variante weist Schlüsselmutationen an ihrem äusseren Spike-Protein auf, mit denen das Virus sich an menschliche Zellen bindet, seine Form ändert und die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Antikörper es angreifen und die Infektion blockieren.
Laut der «Daily Mail» ähneln die Veränderungen der südafrikanischen Variante, die laut einer Studie die Immunantworten der Hälfte der Menschen, die eine Impfung erhalten hatten, überwinden könnte.
Wissenschafter hielten jedoch auch fest, dass dies nicht das «Gesamtbild» sei und zeigten sich zuversichtlich, dass andere Teile des Immunsystems weiterhin von den Impfungen vorbereitet werden, um die Variante abzuwehren.
Warnungen von Experten nehmen aber zu, dass irgendwann eine Variante auftreten könnte, die die durch Impfungen ausgelöste Immunität umgehen wird. Moderna und Pfizer arbeiten beide bereits an sogenannten «Boostern» für ihre Impfungen, die auch vor künftigen Varianten des Virus schützen sollen.