Das Coronavirus breitet sich in Brasilien weiter rasant aus. Präsident Bolsonaro hingegen spielt die Gefahr weiter herunter. Kommt es nun zur Katastrophe?
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Dr. Willie Baracho (r) untersucht Mario de Santos, der Symptome von COVID-19 aufweist, in dessen Haus in dem Slum Vila Vintem in Rio De Janeiro. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Diese Woche wurden in Brasilien erstmals über 1000 Corona-Tote innert 24 Stunden gemeldet.
  • Experten gehen davon aus, dass die Pandemie in Brasilien im Juni ihren Höhepunkt erreicht.
  • Innert einem Monat musste Bolsonaro das Amt des Gesundheitsministers zweimal neu besetzen.
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Massengräber werden ausgehoben, Tote in übereinander gestapelten Särgen begraben: So dramatisch sieht derzeit die Situation in einigen brasilianischen Städten aus. Diese Woche verzeichnete das grösste Land Südamerikas erstmals über 1000 Tote im Zusammenhang mit dem Coronavirus innert 24 Stunden.

Seit Anfang Woche gehört Brasilien zu den Top-3-Ländern (nach USA und Russland) mit den meisten bestätigten Corona-Fällen. Bis Samstagabend stieg die Zahl der Fälle auf 330'890. Bis dahin verzeichnete das Land mit rund 210 Millionen Einwohnern etwa 20'000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

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Ein Mann arbeitet in einem Massengrab auf dem Friedhof Nossa Senhora Aparecida in Manaus. - dpa

Doch Experten gehen davon aus, dass sich deutlich mehr Brasilianer mit dem Virus infiziert haben, als es bestätigte Fälle gibt. Grund: Im bevölkerungsreichsten Staat Südamerikas wird nur in geringem Umfang getestet, knapp viermal weniger als in Italien oder Spanien. Eine gewaltige Dunkelziffer wird daher vermutet, einige epidemiologische Modelle sprechen vom 15-Fachen der bestätigten Fälle.

Höhepunkt wohl im Juni

Experten erwarten, dass die Ausbreitung des Coronavirus in dem Land erst im Juni den Höhepunkt erreicht. Ex-Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta glaubt, dass sich die Lage erst im September wieder normalisieren wird. Laut «O Globo» schätzt er, dass das Coronavirus in Brasilien insgesamt 150'000 Menschen das Leben kosten könnte.

Besonders heikel dürfte es in den Favelas werden, wo arme Menschen auf engstem Raum und teilweise ohne fliessendes Wasser zusammenleben.

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Jair Bolsonaro grüsst Demonstranten am 17. Mai in Brasilia. - epa

Mit der rasanten Ausbreitung des Coronavirus steigt auch die Kritik an Präsident Jair Bolsonaro. Der 65-Jährige trumpft immer wieder mit Verharmlosungen des Virus auf. Als das Land bereits die ersten Corona-Toten und mehr als 1000 Infektionen verzeichnete, bezeichnete er Covid-19 noch als «kleine Grippe». Zuletzt kommentierte Bolsonaro die Situation wie folgt: «Es tut mir leid, was wollen Sie, dass ich tue?»

Bolsonaro als «zweites Virus» bezeichnet

Was er tut: Er kritisiert die von einigen brasilianischen Bundesstaaten verhängten Corona-Restriktionen. So bezeichnete er etwa die vom Gouverneur von São Paolo, João Doria, ergriffenen Massnahmen als «Hysterie». Hinzu kommt, dass er die Proteste einiger Bolsonaro-Anhänger gegen die Restriktionen zusätzlich einheizte. Immer wieder verteilte er Küsschen und schüttelte Hände in der Öffentlichkeit.

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Bewohner der Favela Paraisopolis mit Mundschutz, Gesichtsschutz und Latexhandschuhen heben die Faust während eines Protests am 18. Mai. Die Demonstranten forderten stärkere Massnahmen seitens des Bundesstaates São Paulo gegen die Ausbreitung des Coronavirus. - AP Photo

Doch diese sture Haltung kostete den Präsidenten auch Verbündete: Unter anderem den Gouverneur von Rio de Janeiro, Wilson Witzel, der lange als Unterstützer Bolsonaros galt. Und auch Doria wandte sich von ihm ab und bezeichnet ihn mittlerweile als «zweites Virus». Daneben droht ihm auch noch ein Amtsenthebungsverfahren wegen seinen Söhnen, die selbst politische Ämter bekleiden. Sie sollen in korrupte Geschäfte paramilitärischer Milizen sowie in Rufmordkampagnen verwickelt sein.

Chaos im Gesundheitsministerium wegen Coronavirus

Bestes Beispiel für Bolsonaros problematische Corona-Haltung ist die Situation im Gesundheitsministerium. Zunächst entliess er den Arzt Mandetta als Gesundheitsminister. Grund: Dieser widersprach ihm mehrmals und forderte landesweite Ausgangsbeschränkungen.

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Luiz Henrique Mandetta, ehemaliger Gesundheitsminister von Brasilien, an einer Pressekonferenz zum Coronavirus am 15. April. - dpa

Nachfolger Nelson Teich trat dann nach einem Monat gleich selbst zurück. Es hatte Unstimmigkeiten gegeben, vor allem über den Einsatz von Chloroquin in der Covid-19-Behandlung. Nach seinem Rücktritt hat das Gesundheitsministerium das Anti-Malaria-Mittel für die Covid-19-Behandlung im aktualisierten Leitfaden für Ärzte empfohlen. «Das Gesundheitsministerium ist ein Schiff, das seinen Kurs verloren hat», sagte Ex-Gesundheitsminister Mandetta kürzlich.

Bolsonaro ist aber überzeugt, dass sein Kurs dem Willen des brasilianischen Volkes entspreche. Doch letzte Umfragen zeigen ein anderes Bild: Demnach sollen zwei Drittel der Brasilianer der Ansicht sein, dass Kontaktsperren notwendig seien, um das Virus einzudämmen. Und auch die Nachbarländer sichern aus Angst vor einer Ansteckung die Grenzen bereits militärisch ab.

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