Coronavirus: Skandal um Scheinimpfungen in Brasilien
In Brasilien sind mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen ältere Menschen nur zum Schein gegen das Coronavirus geimpft wurden.
Das Wichtigste in Kürze
- Brasilien wird inmitten der Pandemie von einem Impf-Skandal erschüttert.
- Älteren Menschen wurde teilweise der Inhalt der Spritzen gar nicht verabreicht.
- Das zuständige Personal hat die Corona-Vakzine womöglich unterschlagen.
Vor fast genau einem Jahr war in Brasilien der erste Fall des Coronavirus verzeichnet worden. Der damalige Patient war ein Geschäftsmann aus São Paulo, der von einer Italien-Reise zurückgekehrt war.
Dem Land gelang es anschliessend nie, ähnlich wie der USA, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Bis heute wurden in dem Land mehr als 10,5 Millionen Infektionen gemeldet. Erst vor wenigen Tagen wurde zudem die Schwelle von einer Viertelmillion Tote überschritten.
Das sind jedoch nur die offiziellen Zahlen. Experten gingen in der Vergangenheit von einer viel höheren Dunkelziffer aus. In dem bevölkerungsreichsten Land Südamerikas wird nämlich vergleichsweise wenig auf das Coronavirus getestet.
Coronavirus: Impfkampagne in Millionen-Metropolen ausgesetzt
Wie in anderen Teilen der Welt, blickten deshalb auch die Brasilianer der Impfkampagne mit viel Hoffnung entgegen. Doch die Regierung des Populisten-Präsidenten Jair Bolsonaro, der die Gefahr durch das Coronavirus immer wieder verharmloste, hat bei der Versorgung der Impfstoffe versagt.
Bislang haben in dem Land «nur» rund sechs Millionen Menschen eine erste Impfdose gespritzt bekommen und 1,3 Millionen Menschen zwei Impfdosen. Damit hinkt die Regierung weit hinter ihrem Ziel her, bis Jahresende möglichst alle 212 Millionen Brasilianer zu impfen.
Die Lieferengpässe führten dazu, dass in einigen Regionen und Städten die Impfkampagnen vorübergehend ausgesetzt werden mussten, darunter in den Millionen-Metropolen Rio de Janeiro und Salvador.
Betagte Menschen wird Impfung gegen Coronavirus nur vorgespielt
Inmitten dieser schwierigen Zeit wird das Land nun von einem Impfskandal erschüttert. Es geht dabei um sogenannte Scheinimpfungen. Älteren Menschen soll bei Covid-19-Stationen der Inhalt der Spritzen nicht verabreicht worden sein.
Darüber berichtete der «Spiegel» am Samstag. Den betagten Bürgern wurden die Spritzen demnach von Impfhelfern zwar in den Arm gestochen, aber schliesslich der Inhalt nicht injiziert. Aufgeflogen war das Ganze zuerst durch ein Video, das Angehörige mit dem Smartphone gedreht hatten.
Estudante de enfermagem nega ter preparado "vacina de vento". O caso está sendo apurado. Veja no #FalaBrasil pic.twitter.com/hpDUEmNbD1
— Fala Brasil (@falabrasil) February 25, 2021
Der Sender «Globo» veröffentlichte dieses Video in den Abendnachrichten, worauf zahlreiche verunsicherte Brasilianer die Archive ihrer Smartphones sichteten. So fanden weitere Videos den Weg an die Öffentlichkeit.
Die Sequenzen ähneln sich demnach auf unheimlich Weise. Egal ob sie aus Rio de Janeiro, São Paulo, Alagoas, Goiânia oder aus Manaus im Amazonasgebiet stammen. In der Reportage heisst es: «Mal sind die Ampullen voll, aber die Schwester drückt den Kolben nicht. Mal drückt sie ihn, aber im Spritzenzylinder fehlt die Flüssigkeit.»
Brasilianer sprechen von «Vacina de vento»
Im pandemiegeplagten Brasilien wird der neueste Covid-19-Skandal «Vacina de vento» (Windimpfung) genannt. Der Begriff ist etwas irreführend, denn natürlich wird den Patienten keine Luft verabreicht. Bisher wurden zwar nur Einzelfälle gemeldet, Millionen von älteren Menschen dürften sich nun aber fragen, ob sie tatsächlich geimpft wurden.
Die Helfer stehen dabei im Verdacht, die Dosen entweder teuer verkauft oder für die eigene Familie einbehalten zu haben. Die Zivilpolizei in Rio ermittelt wegen Veruntreuung. In Petrópolis wurde eine erste Person verhaftet. Die Impfhelferin gab zu, eine Scheinimpfung verabreicht zu haben.
Zu ihrer Verteidigung sagte sie, sie habe völlig übermüdet einen Fehler gemacht, wodurch die Impfdosis verloren gegangen sei. Um das zu verschleiern, habe sie eine Seniorin nur zum Schein geimpft und eine leere Spritze verwendet.
Die Polizei hält diese Darstellung für glaubhaft. Sie liess verlauten, dass es zumindest in diesem Fall keine Hinweise dafür gebe, dass Impfdosen unterschlagen oder beiseite geschafft worden seien.