Fünf Länder in zwei Tagen: Scholz auf Balkan-Mission
Schon vor Wochen gab Scholz bekannt, dass er auf den Balkan reisen wird. Damit wollte er die Botschaft setzen: Diese vom Westen vernachlässigte Region Europas gehört in die EU.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Freitag zu einer Balkan-Reise auf, bei der es vor allem um die EU-Beitrittsperspektive für insgesamt sechs Länder der Region gehen wird.
Bei der Ankündigung der Reise hatte er Mitte Mai betont, dass er damit die Botschaft setzen wolle: «Der westliche Balkan gehört in die Europäische Union.»
Zunächst geht es am Freitag in das Kosovo und nach Serbien. Das überwiegend von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 nach einer Nato-Intervention von Serbien losgelöst und 2008 für unabhängig erklärt. Serbien hat dies bis heute nicht anerkannt und erhebt weiterhin Anspruch auf das Territorium des von Deutschland und den meisten anderen EU-Ländern, nicht aber von Russland und China anerkannten Staates.
EU oder Russland: Wo steht Serbien?
Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo wird bei der Reise aber wohl nur eine nachrangige Rolle spielen. In Belgrad wird die Frage im Vordergrund stehen: Auf welcher Seite steht Serbien im Ukraine-Krieg? Das Land mit seinen knapp sieben Millionen Einwohnern will zwar Mitglied der EU werden, unterhält gleichzeitig aber freundschaftliche Beziehungen zu Russland und China - zwei autoritär regierten Ländern mit mehr als gespanntem Verhältnis zum Westen. Sanktionen gegen Russland kommen für Serbien nicht in Frage, für billiges russisches Gas ist das Land weiter dankbar.
Die Europäische Union fordert Serbien aber inzwischen immer offener auf, Farbe zu bekennen. «Enge Beziehungen zum Regime von (Wladimir) Putin sind nicht mehr vereinbar mit dem Bau einer gemeinsamen Zukunft mit der EU», mahnte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell schon letzten Monat.
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic, mit dem sich Scholz am Freitagnachmittag trifft, wollte Anfang der Woche eigentlich auch den russischen Aussenminister Sergej Lawrow in Belgrad empfangen. Der Besuch scheiterte nur daran, dass die Nachbarländer seinem Flugzeug die Nutzung ihres Luftraums verwehrten.
Bulgarien blockiert EU-Beitritt Nordmazedoniens
Am Freitagabend reist Scholz in die nordgriechische Metropole Thessaloniki zu einem Treffen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses, dem 13 Staaten der Region angehören. Am Samstag geht es weiter nach Nordmazedonien und Bulgarien. Dort wird es vor allem um den Konflikt zwischen den beiden Ländern um einen EU-Beitritt Nordmazedoniens gehen, den Bulgarien seit langem blockiert.
Insgesamt streben sechs Balkan-Länder in die Europäische Union. Das Kosovo ist wie Bosnien-Herzegowina potenzieller EU-Beitrittskandidat. Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien haben den Kandidatenstatus bereits. Für Scholz hat die EU-Erweiterung um die Staaten des westlichen Balkans Priorität vor einem Beitritt der Ukraine. Der Kanzler betont, dass es schon aus Rücksicht auf diese Länder keine Abkürzung für die Ukraine geben könne. Nächste Woche will die EU-Kommission sich dazu positionieren, ob die Ukraine EU-Beitrittskandidat werden soll.
Kosovo und Bosnien haben noch den weitesten Weg in die EU
So weit sind die sechs Beitrittskandidaten auf dem Balkan noch von der EU entfernt:
SERBIEN: Das grösste dieser Länder verhandelt seit 2014 über den EU-Beitritt. Bisher wurden 18 von 35 Kapiteln geöffnet, aber nur zwei provisorisch geschlossen. Der politischen Führung des Landes mangelt es an Bereitschaft zu echten Reformen.
MONTENEGRO: Das kleine Adria-Land verhandelt seit 2012 über den EU-Beitritt. Alle 33 Kapitel wurden geöffnet, aber nur drei provisorisch geschlossen. 2020 nahm die politische Instabilität zu, was die Verhandlungen bremste.
NORDMAZEDONIEN: Seit 17 Jahren ist das Land Beitrittskandidat, im Juli 2020 gab die EU-Kommission im Prinzip grünes Licht für konkrete Verhandlungen. Die werden aber von Bulgarien wegen eines Streits um Geschichtsschreibung und Rechte der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien blockiert.
ALBANIEN: Wie Nordmazedonien erhielt auch Albanien im Juli 2020 von der EU-Kommission grünes Licht für Beitrittsverhandlungen. Da die EU die beiden Balkanländer als «Paket» behandelt, ist Albanien aber nun Geisel der Blockade Nordmazedoniens durch Bulgarien.
BOSNIEN-HERZEGOWINA: Das Land, das am schlimmsten unter den jugoslawischen Zerfallskriegen der 1990er-Jahre zu leiden hatte, hat nur den Status eines potenziellen Kandidaten. Serbische und kroatische Nationalisten blockieren elementare Gesetzesreformen, die für einen echten Kandidatenstatus nötig wären.
KOSOVO: Europas jüngster Staat hat ebenfalls nur potenziellen Kandidatenstatus. Grund dafür ist, dass fünf EU-Mitgliedsländer - Spanien, Griechenland, die Slowakei, Rumänien und Zypern - das Kosovo als Staat nicht anerkennen.