Haitis Regierungschef offenbar wieder aus Amt entlassen
Im Krisenstaat Haiti soll der erst seit fünf Monaten amtierende Regierungschef Garry Conille offenbar wieder entlassen werden.
Demnach hat der neunköpfige haitianische Übergangsrat Conille entlassen. An seiner Stelle soll der Geschäftsmann Alix Didier Fils-Aimé den Posten übernehmen. Dem Amtsblatt zufolge beschloss der Übergangsrat – der aus Vertretern unterschiedlicher Gruppen aus Politik und Zivilgesellschaft Haitis besteht – die Entlassung Conilles einstimmig. Der US-Zeitung «Miami Herald» zufolge hatten sich der Regierungschef und das Gremium überworfen: Der Übergangsrat, der erst in diesem Jahr vor dem Hintergrund der schweren Krise in Haiti eingerichtet worden war, wollte demnach mehrere Minister gegen Conilles Willen austauschen.
Bislang ist indes unklar, ob der Übergangsrat überhaupt ermächtigt ist, den Regierungschef zu entlassen. Die erneute Zuspitzung der Lage droht, ein Machtvakuum in Haiti zu schaffen – und die Lage im Land erneut zu verschärfen. Der Karibikstaat Haiti steckt seit Jahren in einer schweren Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Not beitragen. Die Situation verschärfte sich Ende Februar während einer Auslandsreise des damaligen Interims-Regierungschefs Ariel Henry. Bewaffnete Bandenmitglieder griffen Polizeiwachen an und befreiten tausende Häftlinge aus Gefängnissen. Sie forderten den Rücktritt des seit 2021 regierenden Henry, dessen Amtszeit Anfang Februar abgelaufen war. Mitte März erklärte sich Henry schliesslich zum Rücktritt bereit und übergab die Regierungsgeschäfte an den Übergangsrat, bis Conille Ende Mai zum neuen Interims-Ministerpräsidenten ernannt wurde.
Seither hat sich die Lage im Land nicht gebessert: Auch eine von der UNO unterstützte und von Kenia geleitete multinationale Polizeimission war bislang nicht in der Lage, die Gewalt im Land einzudämmen. Laut im Oktober veröffentlichten UN-Zahlen, dass alleine von Juli bis September mehr als 1200 Menschen im Land getötet wurden, Entführungen und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind demnach an der Tagesordnung. Infolge der Bandengewalt in dem Karibikstaat sind UN-Angaben zufolge mehr als 700'000 Menschen in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land innerhalb des Landes geflohen.