Hongkong: Rüstet sich China für ein Eingreifen?
Das Wichtigste in Kürze
- Erneut blockieren Demonstranten in Hongkong den Flughafen.
- Die Lage in der chinesischen Sonderverwaltungszone spitzt sich von Tag zu Tag zu.
- Ein Eingreifen von chinesischen Truppen ist dennoch nicht wahrscheinlich.
Schon wieder werden zahlreiche Flüge am Flughafen Honkong gestrichen. Dies, nachdem erneut hunderte Menschen die Hallen des Flughafens besetzt halten. Seit bereits fünf Tagen harren Demonstranten aus.
Laut Medienberichten hatte die Polizei heute Abend den Flughafen gestürmt und ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Die Demonstrierenden begannen, Barrikaden an einer Eingangsrampe zu errichten. Kurz darauf zogen sich die Polizisten zunächst wieder zurück, wie die DPA berichtet.
Wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtete, griffen die Beamten ein, um einem Mann zu helfen, der über Stunden von Demonstranten festgehalten und beschuldigt worden sei, ein Agent vom chinesischen Festland zu sein.
Sanitäter brachten den Mann aus dem Flughafen. Vor dem Gebäude wurden demnach Polizeifahrzeuge angegriffen und Fenster eingeschlagen.
Laut einer DPA-Reporterin hat sich die Situation nun wieder beruhigt. Die meisten Aktivisten sind nach Hause gegangen. Auch die Polizei zog sich weitgehend zurück. Auf dem Flughafen landeten wieder Flugzeuge.
Dramatische Zuspitzung
Es ist eine dramatische Zuspitzung, die Hongkong derzeit erfährt. Seit über zehn Wochen gehen tausende Menschen auf die Strasse der chinesischen Sonderverwaltungszone. Zu Beginn jedes Wochenende, inzwischen haben sich die Proteste auch auf die Wochentage ausgeweitet.
Gleichzeitig reagiert die Polizei immer harscher. Demonstranten werden niedergeknüppelt. Tränengas und Gummischrot wird eingesetzt – teilweise aus kurzer Distanz. Zahlreiche Demonstranten werden verletzt.
So auch eine Frau, die bei Protesten am Wochenende durch ein Polizeigeschoss ein Auge verloren haben soll. Viele der schwarz gekleideten Demonstranten haben sich mit der Frau solidarisiert und tragen nun ebenfalls Augenbinden. Ein Protest gegen die ausufernde Polizeigewalt.
Protest in Hongkong gegen Regierung
Vordergründig ist es ein Protest gegen die China-freundliche Regierung von Carrie Lam. Und ein Gesetz, das die Auslieferung von Straftätern an China ermöglichen soll. Hintergründig aber geht es um viel mehr. Die Demonstranten fürchten die schleichende Vereinnahmung der ehemaligen britischen Kolonie durch die Volksrepublik China.
Chinas Regierung reagiert mit scharfen Worten auf die Demonstrationen. So bezeichnete ein Sprecher die Demonstranten als Radikale und die Proteste als erstes Anzeichen von Terrorismus. Dies schürt die Angst, China könnte mit eigenen Truppen in Hongkong einmarschieren und den Protesten gewaltsam ein Ende setzen.
Verstärkt wird diese Furcht durch Videos im Internet. Diese zeigen, wie an der chinesischen Grenze zu Hongkong lange Kolonnen von Militärfahrzeugen stehen. Auch Chinas Staatsmedien zeigen die Bilder.
Auch Lam äusserte sich zu den Protesten und verteidigte das Vorgehen der Polizei. Die Polizei habe in den vergangenen zwei Monaten «grosse Schwierigkeiten gehabt, das Gesetz durchzusetzen», sagte Lam am Dienstag vor Journalisten. Die Regierung und die Polizei seien aber in der Lage, die politische Krise in Hongkong zu lösen.
Lam warnte: Hongkong habe «eine gefährliche Situation erreicht» und die Gewalt während den Protesten zu einem «path of no return» führten.
Ist es wahrscheinlich, dass China eingreift?
Ein Eingreifen von China ist nur auf Antrag der Hongkong-Regierung zur «Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und in der Katastrophenhilfe» erlaubt.
Selbst für eine China-freundliche Regierung sei dieser Antrag fast undenkbar, sind sich die meisten Analysten einig. Ohnehin würde ein Eingreifen chinesischer Truppen die Demonstrationen wohl völlig zum Eskalieren bringen. Zudem würde es die Wirtschaft destabilisieren und für reichlich Empörung der internationalen Gemeinschaft führen.
Vermutlich will China mit der Präsenz von Truppen an der Grenze die Protestler abschrecken. Doch deren Ziel ist klar: Die China-freundliche Regierung von Lam muss weg. Carrie Lam macht derzeit aber keine Anstalten, zurücktreten zu wollen. Weitere Tage von heftigen Protesten und Gewalt sind zu erwarten.