In Neuseeland gibt es ein Gefängnis mit Garten der Sinne
Das Wichtigste in Kürze
- In Neuseeland gibt es übermässig viele Häftlinge.
- Das Land will die Inhaftierten besser auf das Leben draussen vorbereiten.
- Deshalb wird nun die erste «humane» Haft eröffnet.
So stellt man sich doch Neuseeland vor: Ein kleiner Erdhügel unter blauem Himmel, davor ein paar Holzbänke, inmitten von sorgsam gepflanzten Blumen, Sträuchern und Gewürzen. Gräser wiegen sich im Wind. Dazu sprudelt eine kleine Quelle beruhigend vor sich hin. Einer dieser vielen Orte in dem Pazifikstaat auf der anderen Seite der Welt, wo man sich nur allzu gern für ein paar Stunden niederlassen möchte. Neuseeland pur.
Nur, dass dieser «Garten der Sinne» nicht in der freien Natur zu finden ist und auch nicht in einer Wellness-Oase, sondern in Neuseelands neuem Hochsicherheitsgefängnis für die gefährlichsten Kriminellen des Landes. Die Menschen, die sich demnächst hier aufhalten werden, sind auch nicht nur für ein paar Stunden da. Sie bleiben in der Regel für viele Jahre und Jahrzehnte, und das keineswegs freiwillig.
Der Wohlfühltrakt ist Teil von Neuseelands erster «humaner» Haftanstalt für männliche Sträflinge am Stadtrand von Auckland. In dem 175 Millionen Euro teuren Bau für 260 Insassen wird es auch einen grossen Fitnessbereich mit überdachtem Basketballplatz, Computer-Arbeitsplätze und einen Kiosk mit Fingerabdruck-Bezahlsystem geben. Sozial veranlagte Häftlinge können ihren Zellengenossen hier sogar Geburtstagskarten kaufen.
Der Neubau löst das berüchtigte Paremoremo-Gefängnis ab, das im gleichnamigen Vorort nach dem Vorbild extrem gesicherter US-Anstalten wie Alcatraz in den 1960er Jahren entstand. Der Chef der Gefängnisbehörde, Ray Smith, sagt: «Das alte Gefängnis ist vor 50 Jahren gebaut worden. Das war noch eine ganz andere Zeit und auch für ganz andere Zwecke.» Heute wird mehr Wert darauf gelegt, Straftäter auf den Weg zurück in die Gesellschaft vorzubereiten.
Im Vergleich zu den USA oder auch zu Europa hat Neuseelands Vollzugssystem einige Besonderheiten. Die Kriminalitätsrate ist zwar so niedrig wie seit Ende der 1970er Jahre nicht mehr, aber die Zahl der Häftlinge ist im Vergleich zu anderen Industriestaaten unverhältnismässig hoch. Viele Anstalten sind überbelegt. Rein statistisch bräuchte Neuseeland alle zwei oder drei Jahre ein neues Gefängnis.
Und: Mehr als die Hälfte der Insassen (51 Prozent) landesweit haben Maori-Wurzeln. In der Gesamtbevölkerung stellen die Nachfahren der Ureinwohner dagegen nur knapp 15 Prozent. Das ist ein Problem, das Neuseeland seit Jahrzehnten nicht loswird. Zudem haben fast alle Häftlinge (90 Prozent) die Diagnose, dass sie zeit ihres Lebens psychische Probleme haben oder drogenabhängig sein werden.
Behördenchef Smith sagt: «Es bringt nichts, wenn wir solche Leute einfach wegsperren. Sie brauchen eine richtige Betreuung in der richtigen Umgebung. Das muss sicher, therapeutisch und menschlich sein.» Deshalb gibt es im neuen Hochsicherheitstrakt nun auch eine eigene Abteilung mit 50 Plätzen für mental labile Insassen.
Mit neun Quadratmetern sind die Zellen deutlich grösser als bisher. Alle haben Fenster, Badezimmer mit Dusche und Fernseher. Neben den üblichen Kanälen laufen Sonderprogramme, die sich mit Erziehungsfragen oder Yoga beschäftigen. Für einen besseren Blick nach draussen sind die Fenstergitter waagerecht. Die Experten glauben, dass die besseren Haftbedingungen letztlich auch der Gesellschaft zugutekommen.
Aktuell werden etwa 60 Prozent der Häftlinge innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Freilassung wieder rückfällig. Eine kürzlich veröffentlichte Regierungsstudie kam zum Schluss, dass Neuseelands Gefängnisse ein «extrem teures Trainingslager» für weitere kriminelle Karrieren sei.
Zwar gibt es auch Kritiker, die sich über das neue «Luxusgefängnis» für verurteilte Verbrecher aufregen. Der Vorsitzende der Howard-Gesellschaft für eine Reform des Strafrechts, Jolyon White, ist jedoch sehr dafür, die Haftbedingungen zu ändern. In Neuseeland gebe es schon viel zu lange eine «Schliesst-sie-weg»-Rhetorik, mit der die Parteien 30 Jahre lang Wahlkampf gemacht hätten, ohne dass sich etwas gebessert habe. «Wenn man das Verhalten von Leuten ändern will, sind Gefängnisse eine teure und nicht effektive Methode», sagt White.
Die Kriminologie-Professorin Yvonne Jenkins ist ebenfalls sehr zufrieden, dass das alte Paremoremo-Gefängnis jetzt geschlossen wird: «Das war eine nationale Schande. Ein fürchterlicheres Gefängnis habe ich nirgendwo auf der Welt gesehen.» Jenkins hätte sich bei der Gestaltung der neuen Anstalt sogar noch etwas mehr gewünscht: freundlichere Farben und Zellen im Ikea-Stil. Damit konnte sich das Designteam dann aber doch nicht durchsetzen.