Israel-Krieg: Gazastreifen für Jahrzehnte kontaminiert
Durch die vielen Raketen im Israel-Krieg warnen Experten vor Blindgängern. Diese können den Gazastreifen für Jahre kontaminieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Experten warnen vor den Blindgängern im Gazastreifen.
- Diese können jahrelang unentdeckt bleiben und eine Gefahr sein.
- Doch auch für Israel besteht eine Gefahr wegen nicht detonierter Munition im Gazastreifen.
Grosse Teile des Gazastreifens liegen wegen der Angriffe Israels in Schutt und Asche. Satellitenbilder zeigen, dass rund ein Drittel aller Gebäude zerstört worden sind. Die Rückkehr und der Wiederaufbau des ärmlichen Gazastreifens dürften lange und schwierig werden. Einen Anteil daran haben auch Blindgänger.
Je nach Dauer des Israel-Kriegs rede man von potenziell Hunderttausenden abgeworfenen Sprengkörpern. Dies sagt Waffenexperte Marc Garlasco gegenüber «Spiegel». Gemäss einer Faustregel würden rund 10 Prozent davon nicht explodieren und als Blindgänger zurückbleiben. «Das bedeutet ein erhebliches Mass an Kontamination auf sehr kleiner Fläche.»
Zum Vergleich: Über Nordrhein-Westfalen, einer rund zehnmal grösseren Fläche, gingen im Zweiten Weltkrieg teils 1000 Bomben pro Tag nieder. Auch 2022, 77 Jahre nach Kriegsende, wurden noch 1443 Blindgänger entschärft.
Im Gazastreifen kommt erschwerend dazu, dass die Bomben und Raketen in den sandigen Boden eindringen könnten. Dadurch würde die Bergung erschwert.
Tel Aviv verwendet die 900 Kilogramm schwere Mk84 aus US-Produktion als Standardbombe im Israel-Krieg. Ein weiteres oft eingesetztes Geschoss ist das bunkerbrechende BLU-109. Beide graben sich tief im Sand ein. Garlasco warnt deswegen: «Man weiss nie, ob sie da sind, bis sie Jahre später explodieren.»
Greg Crowther von der britischen Mines Advisory Group warnt auch vor Blindgängern aus den Kämpfen am Boden. Diese seien zwar leichter zu finden und weniger explosiv. Dafür hätten sie eine höhere Blindgängerquote als Fliegerbomben.
Hunderttausende Palästinenser sind im Israel-Krieg in den Süden geflüchtet, wo nun ebenfalls gekämpft wird. Crowther hält es für unwahrscheinlich, dass alle Blindgänger vor der Rückkehr gefunden würden. Einerseits werde es zu viel nicht detonierte Sprengsätze geben, andererseits würden die Menschen schnellstmöglich zurückkehren wollen.
Israel-Krieg: Kann die Hamas die Blindgänger nutzen?
Immerhin hält es Marc Garlasco für unwahrscheinlich, dass Blindgänger von Menschen versehentlich zur Explosion gebracht werden. Es sei viel Zeit damit verbracht worden, «insensitive Munition» zu entwickeln, um Kollateralschäden zu verhindern. Die Sprengsätze können nur mit Zündern ausgelöst werden. Die Gefahr für Zivilisten ist also gering.
Gross ist sie aber für Israel. Denn, wie Garlasco erklärt, könnte die Hamas die Blindgänger einsammeln und damit Sprengstoff herstellen. In der Vergangenheit habe die Terrororganisation dies bereits mehrmals getan.