Jewgeni Prigoschin: War «krumme Psyche» Grund für Putsch-Versuch?
Experten auf der ganzen Welt fragen sich derzeit, was genau der Grund für den Putsch-Versuch von Prigoschin war.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der Revolte der Wagner-Gruppe spekulieren Experten über das Motiv von Prigoschin.
- Kimberly Marten meint beispielsweise, dass der Söldner-Chef einfach verärgert gewesen war.
- «Es ist unmöglich, dass er dachte, dass er Moskau einnehmen könnte», sagt die Kennerin.
Die Söldnergruppe Wagner hatte am Samstag nur ein Ziel: Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu stürzen. Sie begaben sich dafür auf den direkten Weg Richtung Moskau. Doch nach 24 Stunden beendeten sie ihre Revolte – 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt. Kurz darauf heisst es: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin geht im Nachbarland Belarus ins Exil – eine Strafe wird es für ihn und seine Söldner nicht geben. Im Gegenteil: Putin will die Wagner-Kämpfer in die russische Armee aufnehmen.
Was nach dem 24-Stunden-Aufstand ohne grosse Konsequenzen bleibt, sind deshalb zahlreiche Fragen: Was genau war die Ursache für den Putsch-Versuch? Und was wollte Prigoschin damit eigentlich erreichen? In einem Interview mit dem «Spiegel» wagt die Russland-Kennerin Kimberly Marten einige Erklärungsversuche. Die Professorin für Politikwissenschaften am Barnard College und der Columbia University in New York forscht seit Längerem zur Wagner-Gruppe.
Marten glaubt demnach, dass Prigoschin «unrealistische Vorstellungen» gehabt habe, wie weit er gehen könne. «Die Erfolge in Bachmut, die Wagner für sich in Anspruch nahm, stiegen ihm später zu Kopf. Er wurde von Putin immer bevorteilt und dachte mächtiger zu sein, als er in Wirklichkeit war.» Auch die Aussage, dass Wagner unter die Kontrolle des Verteidigungsministeriums gestellt werden soll, habe Prigoschin – bekanntlich überhaupt kein Fan von Verteidigungsminister Sergej Schoigu – weiter verärgert.
«Putin ist durch Aufstand geschwächt»
So viel zur Ursache des Aufstands – doch was wollte Prigoschin damit erreichen? Bei dieser Frage gibt es laut Marten keine klare Antwort: «Wir wissen nicht, was er wirklich wollte. Es ist unmöglich, dass er dachte, dass er wirklich Moskau einnehmen könnte.» Die Nationalgarde sichere die Stadt gut ab, sagt Marten und fügt an, dass Prigoschin wiederum 20'000 Kämpfer gehabt habe. «Vielleicht steckte dahinter kein Plan, der wirklich Sinn ergibt, sondern es war nur eine Machtdemonstration und ein Ausdruck seiner krummen Psyche.»
Die Expertin für internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik, glaubt aber so oder so nicht, dass es Prigoschins Ziel war, Putin zu stürzen. «Wir haben keine Beweise dafür. Es ist sehr schwierig einen gewaltsamen Putsch gegen Putin zu proben.» Sie rechnet demnach eher nicht mit einem typischen Militärputsch in Russland, hält aber fest, dass der vergangene Samstag dem Kreml-Chef klar geschadet hat.
«Die Leute werden Putin nicht mehr so ernst nehmen wie zuvor. Es schwächt seine Fähigkeit, bei aktuellen Ereignissen die entscheidende Stimme zu sein.» Einen grösseren Umbruch erwartet die Politologin in dem Land eher, wenn etwas aus Putins Regierung herauskommen würde. «Und das dürfte kein bewaffneter Putsch sein.»