Luftwaffe übt mit Kampfjets auf Island
Die Bundeswehr zeigt mit Kampfflugzeugen Präsenz auf Island, wo es keine Streitkräfte hat. Sie zeigt damit die Sicherheitslage im strategisch wichtigen Norden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundeswehr zeigt erstmals seit zehn Jahren mit Kampfflugzeugen Präsenz auf Island.
- Der Nato-Partner Island hat keine eigenen Streitkräfte, dafür eine Küstenwache.
- Russlands Angriff zeigt eine neue Normalität auch für die arktische Sicherheit.
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage auch im Norden verändert – Island etwa keine eigenen Streitkräfte. Die Luftwaffe will nun Solidarität mit dem Nato-Partner demonstrieren. Erstmals seit mehr als zehn Jahren zeigt die Bundeswehr wieder mit Kampfflugzeugen Präsenz auf Island. Sie wirft damit ein Schlaglicht auf die veränderte Sicherheitslage im strategisch wichtigen Norden.
Die Arktis ist Schauplatz des Machtstrebens Russlands und Chinas. Mit dem durch den Klimawandel abschmelzenden Eis weicht eine natürliche Barriere. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges will die Luftwaffe auf Island zeigen, dass sie Luftstreitkräfte schnell verlegen kann.
Sechs Eurofighter und 30 Soldaten der Luftwaffe sollen auf einem Stützpunkt des Nato-Partners Tage lang das Abfangen gegnerischer Flugzeuge trainieren. Auch die Verlegung selbst ist Teil der Übung «Rapid Viking 2023». «Wir machen das um zu zeigen, wenn die Luftwaffe irgendwo gebraucht wird, können wir binnen einiger Tage da sein». Das sagte Oberstleutnant Marco Brunhofer vom Taktischen Luftwaffengeschwader 73 «Steinhoff» am Donnerstag auf dem isländischen Militärflugplatz Keflavik.
Übertragen auf den Gastgeber heisst das: «Wenn Island Hilfe braucht, sind wir bereit, hinzugehen und Lücken zu füllen und zu überbrücken in ganz kurzer Zeit», fügte Brunhofer hinzu. Er ist als der als Kommandoführer da.
Nato-Partner seit 1949
Island ist Gründungsmitglied der Nato und damit Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses – eigene Streitkräfte hat es nicht, nur eine Küstenwache. Schon früher stellte Island dem Bündnis militärische Anlagen und Stützpunkte zur Verfügung. Nach dem Kalten Krieg wurden sie zunächst immer weniger genutzt. Grund dafür war, dass sich der Blick des Bündnisses mehr auf den Mittelmeerraum und den Nahen Osten richtete.
Jetzt zeigt die Nato im strategisch wichtigen Hohen Norden wieder mehr Präsenz. In der Arktis lagern Gas, Öl und industriell wichtige Mineralien. Darauf richten sich Begehrlichkeiten Russlands und der anderen Anrainerstaaten, wobei sich Ansprüche überlappen – ein Konfliktpotenzial.
Der Klimawandel und das in der Folge abschmelzende Eis erlaubt zudem neue Zugänge und Passagen für Schiffe. Hier kommt China ins Spiel. Und auch ein schonender Umgang mit den gefährdeten Ökosystemen wird von der Nato als Teil der eigenen Sicherheit verstanden. Militärplaner, Wissenschaftler und Diplomaten analysieren, wie der Klimawandel, die Folgen steigender Meeresspiegel und künftige politischen Krisen oder gar Kriege zusammenhängen.
«Neue Normalität» auch für arktische Sicherheit
Das beherrschende Thema aber ist seit Februar 2022 der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im März vergangenen Jahres sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Russlands Angriff sei ein «Wendepunkt». Sie sei nun neue Normalität auch für die arktische Sicherheit. Moskau habe gezeigt, dass es grundlegende Sicherheitsprinzipien anfechte und dafür Militär einsetze.
Die Region rund um den Nordpol ist für die Sicherheit und für die Kommunikation zwischen Nordamerika und Europa wichtig. Die Nato hat in den Gebieten eine Zunahme russischer Militäraktivitäten und Fahrten von Spionageschiffen verzeichnet. Es wird angenommen, dass sie die Infrastruktur unter Wasser kartografieren. Das westliche Bündnis will verstärkt Flagge zeigen und kein Sicherheitsvakuum dulden, in dem sich Russland und China breiter machen können.
Russland treibt eigene Projekte voran – so sollen neue Absatzwege für Öl Russland widerstandsfähiger gegen westliche Sanktionen machen. «Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit russischen Unternehmen an der Umleitung russischen Öls weg von den Ostseehäfen hin auf die Nordostpassage als sicherste und attraktivste Route», sagte Alexej Lichatschow. Die Route entlang der Nordküste Russlands solle mithilfe von Atomeisbrechern ganzjährig befahrbar gemacht werden. «Die Entwicklung des Nördlichen Seewegs ist zweifellos eine der offensichtlichen strategischen Prioritäten», sagte der Kremlchef.
Konfliktpunkt mit Geschichte
Neu ist das Ringen um den Hohen Norden aber nicht. Rückblick ins Jahr 1984: Das sowjetische Parteiorgan «Prawda» warf der Nato vor, Island in einen «unsinkbaren Flugzeugträger» an ihrer Nordflanke verwandeln zu wollen. Die Nato-Strategen wollten die Region zu einem Hauptstützpunkt für modernste Militärtechnik machen.
Russland hat schon 2020 eine bis 2035 geltende Entwicklungsstrategie für die Arktis beschlossen. «Sie spiegelt die Hoffnungen, aber auch die Bedrohungsszenarien wider, die der Kreml mit der fortschreitenden Erwärmung der Arktis verbindet». Das analysierte die deutsche Stiftung Politik und Wissenschaft (SWP).
Die reichlich vorhandenen Rohstoffe sollten weiter erschlossen, der schwindenden Bevölkerung bessere Lebensstandards geboten werden. «Moskau hofft zudem, mit der Nördlichen Seeroute langfristig eine neue Arterie der Weltschifffahrt etablieren und kontrollieren zu können», wurde erklärt.
Auf Island hat sich die Wahrnehmung der Sicherheitslage geändert. Als Nation ohne eigene Streitkräfte sei bisher im Gegensatz zu anderen Nato-Staaten nicht viel über Militärfragen diskutiert worden. Das sagte Snorri Matthíasson, Direktor für Verteidigungsangelegenheiten im isländischen Aussenministerium, am Donnerstag auf dem Militärflugplatz.
Das habe sich geändert: «Die Menschen sind sich mehr bewusst, welche Bedeutung die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich hat.»