WHO erklärt Gesundheitsnotstand wegen Coronavirus
Staaten fliegen wegen des Coronavirus ihre Mitbürger aus China aus. Unternehmen schliessen ihre Niederlassungen. Mittlerweile gibt es mehr Fälle als bei Sars 2002/2003. Nun verkündet die WHO den Notstand.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus aus China zum internationalen Gesundheitsnotstand erklärt.
Das bedeutet, dass die mehr als 190 Mitgliedsländer von der WHO empfohlene Krisenmassnahmen gegen eine weitere Ausbreitung untereinander koordinieren.
Noch sei die Zahl der Infektionen ausserhalb Chinas relativ gering, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstagabend nach der Sitzung eines Expertenausschusses. Aber man wisse nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde. «Wir sitzen alle im selben Boot», sagte Tedros. Das Virus könne nur gemeinsam aufgehalten werden. «Das ist die Zeit für Fakten, nicht Angst.» Der Notstand heisst offiziell «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite».
In Deutschland bestätigte das bayerische Gesundheitsministerium am Donnerstagabend einen fünften Fall. Der Patient ist ein Mitarbeiter der Firma Webasto aus dem Landkreis Starnberg, bei der auch die vier zuvor bekannten Fälle beschäftigt sind.
Italien setzte nach zwei bestätigten Coronavirus-Fällen den Flugverkehr zwischen Italien und China aus. Das erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Donnerstagabend in Rom. Italien sei das erste Land in der EU, das diese Massnahme ergreife. Bei den beiden Patienten handelt es sich um zwei chinesische Touristen, die nun auf einer Isolierstation in Rom seien. Conte rief die Menschen auf, nicht in Panik zu geraten, die Lage sei unter Kontrolle.
Die Zahl der nachweislich mit dem neuen Virus Infizierten war rasant auf weltweit mehr als 8100 gestiegen. Vor zwei Wochen waren erst 40 Fälle gezählt worden. Ausserhalb Chinas waren in rund 20 Ländern mehr als 100 Menschen positiv auf das Virus getestet worden. Darunter sind neben Deutschland auch Frankreich, Thailand, Japan, Malaysia, die USA, Finnland, Australien, Südkorea, Indien und die Philippinen. Vielfach sind die Infizierten Reisende aus China, aber es kommt auch zu neuen Ansteckungen ausserhalb des Landes.
Die WHO empfiehlt nun unter anderem, dass Länder mit weniger entwickelten Gesundheitssystemen unterstützt werden sollen. Zudem soll die Arbeit an Medikamenten und Impfstoffen beschleunigt, Wissen und Daten geteilt und gegen Gerüchte vorgegangen werden. Gleichzeitig empfiehlt die WHO aber keine Handels- und Reisebeschränkungen.
Viele Länder haben in den vergangenen Tagen schon eigene Massnahmen ergriffen. «Wenn jedes Land seine eigenen Massnahmen verhängt, kann das das Rezept für ein Desaster sein, etwa wirtschaftlich», hatte WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan zuvor erläutert. Die WHO kann aber kein Land zwingen, Massnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen.
Mittlerweile sind von dem Virus mehr Menschen betroffen als vor 17 Jahren bei der Sars-Pandemie. Damals wurde das Schwere Akute Atemwegssyndrom (Sars) nach WHO-Statistiken bei 8096 Menschen nachgewiesen. Durch das neue Virus, das mit dem Sars-Erreger verwandt ist, waren bis Donnerstag 170 Menschen ums Leben gekommen. Die WHO nennt das neue Virus jetzt «2019-nCoV - akute Atemwegserkrankung».
Die Bundesrepublik plant eine Rückholaktion für deutsche Staatsbürger aus der besonders schwer betroffenen Metropole Wuhan. Der Flug war zunächst für Samstag geplant. Sicher war das aber auch am Donnerstag noch nicht. Die Teilnahme ist freiwillig. Nach bisherigen Schätzungen geht es um rund 90 Bundesbürger. Die Rückkehrer sollen 14 Tage lang auf dem Luftwaffenstützpunkt Germersheim in Rheinland-Pfalz in Quarantäne, wie zuerst die Zeitungen des Medienhauses VRM berichteten. Auch andere Länder planen solche Flüge.
BMW hat seine drei Werke in der Millionenstadt Shenyang geschlossen. Der Volkswagen-Konzern setzt seine Produktion in China vorerst weiter aus. Der schwedische Autobauer Volvo verlängerte die zur chinesischen Neujahrsfest gewährte Produktionspause. «Es ist noch deutlich zu früh, um eine seriöse Analyse über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus erstellen zu können», sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Die vier ersten Patienten in Deutschland waren am Donnerstag in gutem Zustand, wie ein Arzt der Klinik in München sagte, wo sie sich auf einer Isolierstation befinden. Sie hätten keine Symptome. Der fünfte Fall, der erst am Donnerstag bestätigt wurde, sollten nähere Informationen am Freitag bekanntgegeben werden. Die Kollegen hatten sich während einer Schulung bei einer aus China angereisten Frau angesteckt. In Bayern sind rund 110 Menschen, die mit den Infizierten in Kontakt waren, aufgefordert, vorerst zu Hause zu bleiben. In mehreren Bundesländern gibt es Verdachtsfälle, bestätigt wurde davon noch keiner.
Im Hafen von Civitavecchia in Italien mussten rund 7000 Menschen über Stunden an Bord des Kreuzfahrtschiffes «Costa Smeralda» ausharren. Eine Touristin aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Macao habe an Bord Fieber und Atemprobleme gehabt, schrieb die Nachrichtenagentur Ansa. Die Passagiere durften zunächst nicht an Land gehen. Am Abend gab es dann Entwarnung.
In China sagten die Behörden immer mehr Veranstaltungen ab, um Ansammlungen von Menschen zu verhindern. Neben der Lufthansa und British Airways kündigten weitere Fluggesellschaften wie Air France, KLM, Finnair, American Airlines, SAS, die spanische Fluggesellschaft Iberia und die israelische El Al an, ihre Flüge nach China streichen.