Maas gegen einseitigen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland
Mehr als 200.000 Menschen kamen 1945 durch die Atombombenabwürfe auf Japan ums Leben. Aussenminister Maas gedenkt bei einem Besuch in Hiroshima der Opfer und wirbt für eine atomwaffenfreie Welt. Über den richtigen Weg dahin gehen die Meinungen aber auseinander.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesaussenminister Heiko Maas hat sich bei einem Besuch im japanischen Hiroshima für nukleare Abrüstung eingesetzt, sich gleichzeitig aber gegen einen einseitigen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ausgesprochen.
«Es nutzt nichts, wenn Atomwaffen von einem Land in das andere verschoben werden. Wenn sie verschwinden sollen, dann sollen sie überall verschwinden», sagte der SPD- Politiker zu entsprechenden Forderungen auch aus seiner eigenen Partei. «Wir brauchen, was die atomare Abrüstung angeht, vor allen Dingen Vereinbarungen auf breiter Basis, nicht nur in einzelnen Ländern.»
Maas legte in Hiroshima einen Kranz für die Zehntausenden Opfer des ersten Atombombenabwurfs vor 74 Jahren nieder. In das Gedenkbuch des Friedensmuseums von Hiroshima schrieb er: «Die Erinnerung an das Leid der Menschen in Hiroshima und Nagasaki darf nie verblassen. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass sich solches Leid niemals wiederholt! Für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen!» Der Minister traf in Hiroshima, wo heute wieder 1,2 Millionen Menschen leben, auch Überlebende des Angriffs und sprach mit Schülern.
Beim Atombombenangriff der USA wurde die Stadt am 6. August 1945 fast vollständig zerstört, bis Ende 1945 starben etwa 140.000 Menschen. Die USA warfen drei Tage nach der Atombombe von Hiroshima eine weitere auf Nagasaki ab. Dort starben weitere 70.000 Menschen. Im Anschluss an den Doppelschlag kapitulierte Japan im Zweiten Weltkrieg.
In Deutschland lagern für die nuklearen Abschreckung der Nato nach Expertenschätzung noch etwa 20 US-Atombomben. Für ihren Einsatz im Ernstfall hält die Bundeswehr Tornado-Kampfjets bereit. Linke und Grüne setzen sich für den Abzug der auf dem rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel stationierten Atomwaffen ein. Im Bundestagswahlkampf 2017 hatte sich aber auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dafür stark gemacht und diese Forderung später wiederholt.
Die atomare Bedrohung ist in den vergangenen Jahren nach einer Phase der Entspannung nach Ende des Kalten Krieges wieder gewachsen. Die grossen Atommächte wie USA, Russland und China modernisieren ihre Arsenale und machen sie damit einsatzfähiger. Die Kündigung des INF-Vertrags über das Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen zwischen den USA und Russland durch die Vereinigten Staaten hat Befürchtungen geschürt, dass es zu einer neuen atomaren Aufrüstungsspirale kommen könnte.
Maas betonte in Hiroshima, man dürfe trotzdem nicht müde werden, für eine Trendumkehr zu kämpfen. «Es muss unser Ziel bleiben, irgendwann in einer atomwaffenfreien Welt zu leben, auch wenn das nicht einfach wird oder noch sehr lange dauern wird», sagte der Aussenminister.
Dem 2017 von zwei Dritteln der UN-Mitglieder beschlossenen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen will Deutschland aber nicht beitreten. «Weil bedauerlicherweise die Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind, dem Vertrag nicht beigetreten sind», sagte Maas in Hiroshima zur Begründung. Es sei sinnvoller, mit diesen Staaten über konkrete Abrüstungsschritte zu sprechen.
Auch die japanische Regierung ist dem Verbotsvertrag nicht beigetreten. Die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki fordern einen solchen Schritt allerdings. Das Abkommen wird von rund 120 der 193 UN-Mitgliedstaaten unterstützt. Die vermutlich neun Atommächte sowie fast alle Nato-Staaten - darunter Deutschland - hatten schon die Verhandlungen boykottiert.
Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte die Äusserungen des deutschen Aussenministers in Hiroshima. «Wer die Abschaffung der Atomwaffen fordert, aber selbst welche im Land behalten will, macht sich im höchsten Masse unglaubwürdig», sagte sie.
Am Sonntag wird auch Papst Franziskus Hiroshima und Nagasaki besuchen. Maas reiste am Freitag noch weiter nach Nagoya, wo am Abend (Ortszeit) das G20-Aussenministertreffen begann. Auf der Tagesordnung stehen dort die Afrika-Politik, der Freihandel und die UN-Nachhaltigkeitsziele.
Am Rande der Konferenz will Maas mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu über die Inhaftierung eines türkischen Anwalts der deutschen Botschaft in Ankara sprechen. «Wir sind der Auffassung, dass es dafür auch eine schnelle Lösung geben muss, und das werde ich dem Kollegen natürlich auch hier sagen», kündigte Maas in Hiroshima an. Die türkische Polizei hatte den Anwalt bereits Mitte September inhaftiert. Es wird vermutet, dass der Jurist sensible Daten von Menschen aus der Türkei bei sich hatte, die in Deutschland politisches Asyl beantragt hatten und die damit nun der Türkei in die Hände gefallen sind.