Nach einer Amputation kann eine künstliche Hand helfen. Noch können die Prothesen weit weniger als echte Hände. Doch sie werden immer besser.
Bevor Amputierte solche Prothesen im Alltag nutzen können, sind noch technische Weiterentwicklungen nötig. Foto: Patrizia Tocci/Science Robotics
Bevor Amputierte solche Prothesen im Alltag nutzen können, sind noch technische Weiterentwicklungen nötig. Foto: Patrizia Tocci/Science Robotics - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zwei neu entwickelte Handprothesen geben Unterarmamputierten mehr Gefühl beim Greifen.
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Ein Ansatz zielt darauf ab, dass Patienten nicht nur Form und Härte von Objekten fühlen, sondern auch ihre Handstellung wahrnehmen.

Ein zweites Forschungsprojekt konzentriert sich auf eine künstliche Hand, mit deren Hilfe Patienten spüren können, wenn ihnen ein Objekt aus den Fingern gleitet, um dann kräftiger zuzugreifen. Beide Prothesen wurden im Fachmagazin «Science Robotics» vorgestellt.

Ein Team um Loredana Zollo von der Campus Bio-Medico Universität in Rom implantierte einer jungen Frau, der die linke Hand amputiert worden war, spezielle Elektroden in Armnerven. Die Probandin konnte dadurch viel gefühlvoller mit Objekten umgehen und unter anderem verhindern, dass ihr Gegenstände durch die Finger rutschen. Auf Bildern ist zu sehen, wie sie mit der Prothese Wasser in einen Becher schüttet und sich Lippenstift aufträgt.

Bei der Prothese, die eine Wahrnehmung der Handstellung möglich macht, werden ebenfalls Nerven im Arm stimuliert. Zwei Patienten konnten bei Tests ohne hinzuschauen ähnlich akkurat wie Menschen ohne Amputation angeben, ob und wie weit ihre künstliche Hand geöffnet war, wie Forscher aus Lausanne, Genf, Pisa, Zürich, Rom und Freiburg im Breisgau schreiben. In Videos zu den Experimenten ist zu sehen, wie die Probanden mit einer künstlichen Hand einen Gegenstand umfassen. Aufgrund der Stellung ihrer Finger können sie sagen, ob es sich um ein grösseres oder kleineres Objekt handelt. Die Hand war dabei nicht am Armstumpf befestigt, sondern lag auf einem Tisch.

Das neue System hat zwei Vorteile, wie Thomas Stieglitz von der Uni Freiburg, der an der Studie beteiligt war, erläutert: «Wenn der Patient die Handstellung nur durch Hinschauen kennt und dann greifen will, erfordert das hohe Konzentration und dauert viel länger. Zudem nimmt der Patient eine Prothese stärker als eigenes Körperteil wahr, wenn er die Handstellung intuitiv spürt.» Mit herkömmlichen Prothesen können Patienten zwar mit Muskelkraft greifen lernen, fühlen die Bewegung aber nicht. Sie müssen deshalb immer hinschauen, um die künstliche Hand zu steuern.

Die Wissenschaftler hatten 2014 gezeigt, dass ein Patient mit einer künstlichen Hand Form, Grösse und Härte fühlen kann, wenn mit der Prothese kommunizierende Elektroden durch die Nerven im Arm gefädelt werden. Inzwischen konnten sie zwei weiteren Patienten die Elektroden für jeweils sechs Monate implantieren. Die Patienten bekamen je zwei Implantate mit je 14 Kontakten im Mittelarmnerv (Nervus medianus), der Empfindungen von Daumen und Zeigefinger ans Gehirn leitet, und im Ellennerv (Nervus ulnaris), der die Signale für den kleinen Finger leitet. Nach etwas Training hätten die Patienten nicht nur Form und Härte erfasst, sondern auch, wie weit die Finger der Prothese zum Greifen auf waren. «Das ist dann wie Fahrradfahren», sagte Stieglitz. «Einmal lernen reicht.»

Bevor Amputierte solche Prothesen im Alltag nutzen können, seien technische Weiterentwicklungen nötig, sagt Stieglitz. Zum einen waren die Kabel bei den Versuchen seines Teams bislang durch die Haut gelegt. Das birgt die Gefahr von Infektionen. Die Stimulatorelektronik müsse unter die Haut gelegt werden, wie bei einem Herzschrittmacher etwa im Brustbereich. Dafür existierten aber noch keine Stecker, die klein genug sind, um die im Nerv des Oberarms implantierten Elektroden mit der Elektronik zu verbinden. Auch die Elektroden, die durch die Nerven gefädelt werden und so dünn wie Blattgold sind, müssten für jahrelangen Gebrauch stabiler gemacht werden. Stieglitz hofft auf genügend Materialfortschritte in den nächsten fünf Jahren.

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