Nigeria löst umstrittene Spezialeinheit nach Folter-Vorwürfen auf
Nach tagelangen gewaltsamen Protesten gegen Polizeigewalt hat die nigerianische Regierung eine Spezialeinheit der Polizei aufgelöst und eine Untersuchung der Vorwürfe angekündigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Behörden kündigen Ermittlungen an.
Die Sondereinheit gegen Raubüberfälle sei mit sofortiger Wirkung aufgelöst, teilte die Regierung am Sonntag mit. Die Polizei erklärte, Vorwürfe von «Straftaten gegen Bürger» würden mit Hilfe von Menschenrechtlern untersucht und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen.
Seit mehr als einer Woche waren zahlreiche Menschen in Nigeria auf die Strasse gegangen und hatten die Auflösung der Einheit gefordert. Die Demonstranten warfen Polizisten der Einheit Erpressung, Folter, willkürliche Verhaftungen und sogar Mord vor. Unterstützt wurden die Proteste auch Exil-Nigerianern im Ausland sowie von prominenten Musikern und Schauspielern.
Demonstranten vor der nigerianischen Botschaft in London brachen am Sonntag in Jubel aus, als sie von der Auflösung der Spezialeinheit erfuhren. «Wir haben gewonnen!», rief der nigerianische Afropop-Star Wizkid den Menschen zu. «Eure Stimme wurde gehört. Dies ist ein neues Nigeria - wir haben keine Angst, unsere Meinung zu sagen.»
Für weitreichende Empörung hatte vor allem ein im Internet veröffentlichtes Video gesorgt, das die Tötung eines Mannes durch Mitglieder der Sondereinheit im nigerianischen Bundesstaat Delta zeigen soll. Die Proteste nahmen noch zu, als der Zeuge, der das Video aufgenommen hatte, festgenommen wurde.
Die Proteste waren zuletzt immer wieder in Gewalt umgeschlagen. In der südnigerianischen Stadt Ughelli wurden nach Polizeiangaben am vergangenen Donnerstag ein Polizist und ein Demonstrant getötet. Ein weiterer Mensch erlitt demnach lebensgefährliche Verletzungen. Neun Menschen wurden den Angaben zufolge in Zusammenhang mit der Gewalt festgenommen.
Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vom vergangenen Juni führte mehr als 80 Fälle von Folter, Misshandlung und aussergerichtlichen Hinrichtungen auf, die zwischen Januar 2017 und Mai dieses Jahres von Mitgliedern der Polizeieinheit verübt worden sein sollen.
Nach Amnesty-Angaben geschahen die Taten mit dem Wissen ranghoher Verantwortlicher der Einheit. Demnach soll es innerhalb der nigerianischen Polizei nach wie vor Folterkammern geben. Die meisten Opfer seien männlich, zwischen 18 und 35 Jahre alt und stammten aus Familien mit geringem Einkommen, heisst es in dem Bericht.