Polen übernimmt EU-Ratsvorsitz
Die umstrittene EU-Ratspräsidentschaft Ungarns ist vorbei – jetzt ist Polen an der Reihe. Die Regierung in Warschau hat sich viel vorgenommen. In Brüssel ist aber nicht jeder hoffnungsfroh.
Das Wichtigste in Kürze
- Polen übernimmt für die nächsten sechs Monate den EU-Ratsvorsitz.
- Das Land leitet Ministertreffen und vermittelt zwischen EU-Staaten.
- Zuvor hatte Ungarn das Amt inne, Orbán verärgerte die Union mit einem Russland-Besuch.
Polen hat zum Jahreswechsel den alle sechs Monate rotierenden EU-Ratsvorsitz übernommen. Regierungsvertreter des Landes werden damit bis Ende Juni die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln. Dabei geht es vor allem darum, einen möglichst reibungslosen Ablauf der EU-Gesetzgebungsverfahren zu garantieren.
Hoffnung in Brüssel ist, dass die polnische Regierung ihre herausgehobene Rolle nicht so für eigene Zwecke instrumentalisiert wie in den vergangenen sechs Monaten die ungarische.
So war der ungarische Regierungschef Viktor Orban im vergangenen Sommer kurz nach Übernahme der Ratspräsidentschaft durch sein Land unabgesprochen nach Moskau und Peking gereist und hatte damit für erheblichen Unmut in den meisten anderen EU-Staaten gesorgt.
Polen will sein politisches Gewicht in der EU steigern
Von Polen werden diplomatische Alleingänge dieser Art nicht erwartet. Auch weil Regierungschef Donald Tusk das Maschinenwerk der EU besser kennt als viele andere. Tusk hatte 2014 bis 2019 den Posten des hauptamtlichen EU-Ratschefs inne und leitete in dieser Funktion das Gremium der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten.
Deutschland und Frankreich, die in der Vergangenheit meist tonangebend innerhalb der EU waren, sind derzeit von innenpolitischen Krisen gehemmt. Daher könnte Polen seine Ratspräsidentschaft theoretisch nutzen, um sein politisches Gewicht zu steigern. In Brüssel warnten Diplomaten zuletzt aber vor allzu grossen Hoffnungen.
Polens Motto: «Es geht um Sicherheit, Europa!»
Hintergrund ist die im Mai anstehende Präsidentenwahl in Polen und die damit verbundene Befürchtung, dass Tusks Regierung vor allem diejenigen EU-Projekte fördern könnte, die einem Wahlsieg ihres Lagers dienlich sind. Dazu gehören solche aus den Bereichen Kampf gegen irreguläre Migration sowie Sicherheit und Verteidigung. Für seine Ratspräsidentschaft wählte Polen das Motto: «Es geht um Sicherheit, Europa!»
Andere, in Polen umstrittene Vorhaben, könnten nach diesem Szenario bis nach der Wahl verschleppt oder zumindest wenig engagiert angepackt werden. Dazu werden etwa Umwelt- und Klimaschutzprojekte gezählt.