Polio-Fall in Afrika alarmiert WHO – aus Pakistan eingeschleppt?
Seit mehreren Jahren ist in Afrika der erste Wildpolio-Fall entdeckt. Das Virus könnte aus Pakistan eingeschleppt worden sein.
Das Wichtigste in Kürze
- In Malawi wurde ein Fall von Wildpolio entdeckt.
- Die Krankheit kann dauerhafte Lähmungen hervorrufen.
- Es ist der erste Fall in Afrika seit mehreren Jahren.
Der erste Wildpolio-Fall in Afrika seit mehreren Jahren schreckt die Gesundheitsbehörden im Binnenstaat Malawi auf. Entdeckt wurden die Wildpolio-Viren vom Typ 1 bei einem Kind in der Hauptstadt Lilongwe. Dies teilte die Weltgesundheitsorganisation WHO am späten Donnerstagabend mit.
Es handle sich dabei um den ersten Wildpolio-Ausbruch auf dem Kontinent seit 2016. Laboruntersuchungen hätten ergeben, dass das Virus offenbar aus der pakistanischen Sindh-Provinz eingeschleppt wurde. Es gleicht dem dortigen Typ.
Malawis Gesundheitsministerin Khumbize Kandodo Chiponda wollte sich gegenüber der Nachrichtenagentur DPA allerdings nicht festlegen auf das Ursprungsland des Virus. Sie betonte, dass ein Notfallkomitee nun eng mit der WHO zusammenarbeite, um die Situation zu analysieren.
Krankheiten kennen keine Grenzen
«Wir werden auch sehr eng mit unseren Nachbarstaaten zusammenarbeiten, da Krankheiten keine Grenzen kennen», erklärte sie. Der Staat hatte 1992 seinen letzten Polio-Fall verkündet und gilt seit dem Jahr 2005 als komplett Polio-frei.
Afrika hatte das offizielle WHO-Statut als poliofreier Kontinent im August 2020 erhalten. Zuvor war vier Jahre lang kein derartiger Fall mehr auf dem Kontinent festgestellt worden. «Da es sich um einen aus Pakistan eingeschleppten Fall handelt, berührt diese Entdeckung nicht Afrikas Status als Region, die frei von Wildpolio ist», schreibt die WHO.
Die Organisation werde die örtlichen Gesundheitsbehörden des Staates im Südosten Afrikas dabei unterstützen, dass der Fall isoliert bleibe. Afrika ist durch die Corona-Pandemie schon geschwächt. Das Risiko, dass diese alte Plage den Kontinent erneut an die Grenzen seiner Kapazitäten führen könnte, gilt als hoch.
Polio kann dauerhaft lähmen
«Solange Wild-Polio irgendwo auf der Welt existiert, besteht für jedes Land das Risiko eines Viren-Imports». Dies sagte WHO-Regionaldirektorin Matshidiso Moeti.
Polio – oder auch Kinderlähmung – ist eine ansteckende Infektionskrankheit und kann Lähmungen auslösen und zum Tod führen. Vor allem bei Kleinkindern kann es dauerhafte Lähmungen hervorrufen.
Verbreitet wird das hoch ansteckende Virus oft über verunreinigtes Wasser. Eine Heilung für Polio gibt es bisher nicht. Bis auf Afghanistan und Pakistan haben alle Länder der Welt bisher die Wildpolio-Viren besiegt.
Afghanistan und Pakistan kämpfen noch
In Pakistan war zuletzt die Hoffnung gestiegen, Kinderlähmung auszurotten. Ende Januar hatten die Behörden bekanntgegeben, dass binnen einen Jahres kein neuer Polio-Fall registriert worden sei. Der Meilenstein markierte einen grossen Erfolg im Kampf Pakistans gegen die Krankheit.
Im Jahr 2020 wurden 84 Fälle und im Jahr 2019 noch fast 150 verzeichnet. Die WHO hatte zuletzt die Fortschritte Pakistans begrüsst, aber davor gewarnt, dass eine vollständige Ausrottung noch dauere.
Offizielle in dem Land mit 220 Millionen Einwohnern führen die jüngsten Erfolge auf eine geänderte Impfstrategie zurück. Man habe zuletzt mehr auf Kinder in jenen Gebieten des Landes abgezielt, in denen Eltern den Impfstoff ablehnten.
Impfteams haben besseren Zugang
Von militanten Islamisten werden immer wieder unwahre Gerüchte gestreut, die Impfungen würden Kinder unfruchtbar machen. Aber auch Bewegungsbeschränkungen während der Coronavirus-Pandemie und eine bessere Hygiene hätten zu den Erfolgen beigetragen.
In Afghanistan wurde in diesem Jahr laut Global Polio Eradication Initiative bisher ein Polio-Fall mit dem Wildtyp registriert. 2021 waren es vier, und somit laut Unicef die niedrigste je registrierte Zahl an Polio-Fällen in dem Land. Zuletzt konnten in Afghanistan auch wieder mehr Polio-Impfungen durchgeführt werden. Impfteams können nun auch in früher unzugänglichen Gebieten tätig sein.
Vor ihrer Machtübernahme im Sommer 2021 hatten die Taliban keine Impfhelfer in die von ihnen kontrollierte Gebiete gelassen. Sie hatten Sorge, die Impfhelfer spionierten für die Regierung oder den Westen.
Im November und Dezember wurden landesweite Impfkampagnen durchgeführt. Laut Unicef konnten so 2,6 Millionen Kinder erstmals seit drei Jahren gegen Polio geimpft.
Aufmerksamkeit liegt auf wilden Polioviren
In Afrika war der letzte Wildpolio-Fall laut WHO 2016 in Nigeria registriert worden. Allerdings gab es in der Vergangenheit auch in Afrika vereinzelte Fälle einer abgeschwächten Form des Polios, des sogenannten Impfpolios. Denn die Polio-Impfung selbst kann in Einzelfällen eine sogenannte Impfpoliomyelitis auslösen.
Im ostafrikanischen Land Uganda etwa wurden im vergangenen August in Proben aus zwei Kläranlagen der Hauptstadt Kampala solche Viren nachgewiesen. Es habe genetische Übereinstimmungen mit einem bereits im Sudan aufgetretenen Virus gegeben, berichteten die örtlichen Behörden.
Die Aufmerksamkeit von Gesundheitsbehörden für wilde Polioviren ist einem WHO-Sprecher zufolge etwas höher als für Impfpolio. Ihre Ausrottung sei der Schlüssel zu einer dauerhaft poliofreien Welt. Sind die wilden Polioviren ausgerottet, könne man aufhören, den Impfstoff zu verwenden. Somit gäbe es auch kein Risiko für Impfpolio mehr.