Russland-Wahl: Kremlpartei Geeintes Russland feiert Sieg in Moskau
Das Wichtigste in Kürze
- Geeintes Russland wird bei den Wahlen wohl erneut eine absolute Mehrheit holen.
- Damit kann Staatschef Wladimir Putin seinen Kurs fortsetzen.
- Die Opposition spricht währenddessen von massivem Wahlbetrug.
Nach Auszählung von knapp 55 Prozent der Stimmzettel kam die Machtbasis von Präsident Wladimir Putin auf 46,6 Prozent, wie die Wahlkommission in der Nacht zum Montag in der Hauptstadt Moskau mitteilte. Mit Spannung wird erwartet, ob sie in der neuen Staatsduma ihre absolute Mehrheit verteidigen kann. Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny sprach dagegen von Wahlbetrug, den niemand hinnehmen sollte.
Den ersten Ergebnissen zufolge werden im neuen Parlament mit seinen 450 Abgeordneten mindestens vier Parteien vertreten sein. Die Kommunisten erhielten demnach 21,3 Prozent. Die rechtspopulistische Partei LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski kam auf 8 Prozent und Gerechtes Russland auf 7,6 Prozent. Sie alle gelten als systemtreue Parteien und waren bereits in der Duma vertreten.
Hoffnungen auf einen Einzug kann sich eine neue Kraft machen: die Partei Nowyje Ljudi - auf Deutsch Neue Leute. Sie landete nach dem Zwischenstand bei der Auszählung auf knapp 6 Prozent der Stimmen. Die im März vergangenen Jahres gegründete Bewegung kann demnach auch bei den Regionalwahlen in einigen Gebieten auf Erfolge hoffen. Bereits im vergangenen Jahr war sie bei Wahlen auf Regionalebene erfolgreich.
Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny war ausgeschlossen von der Abstimmung, die erstmals für drei Tage angesetzt war. Die Wahlbeteiligung wurde wenige Stunden vor Schliessung der Wahllokale mit rund 45 Prozent angegeben. Am Montag sollte mitgeteilt werden, wie viele Menschen tatsächlich wählen gegangen sind.
110 Wahlberechtigte wählten neue Staatsduma
In Russland und im Ausland waren rund 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen gewesen, eine neue Staatsduma für die kommenden fünf Jahre zu bestimmen. 14 Parteien standen zur Auswahl, unter den Kandidaten waren kaum echte Oppositionelle. Überschattet wurde der Urnengang von Hunderten Beschwerden über massenhafte Verstösse. Das Innenministerium sprach von 750 Beschwerden, die eingegangen seien. Es habe keine schwerwiegenden Verstösse gegeben.
Die Wahl galt als ein wichtiger Stimmungstest für Kremlchef Putin und seine Politik. Viele Menschen in Russland sind Umfragen zufolge unzufrieden mit der Lage wegen sinkender Löhne und massiv steigender Preise. Die Kremlpartei Geeintes Russland war im Vorfeld dafür verantwortlich gemacht worden. Ihre Umfragewerte hatten unter 30 Prozent gelegen.
Die Anhänger feierten am Abend in Moskau den Wahlsieg - trotz Regens. «Wir sind die Mannschaft Putins», riefen kremltreue Aktivisten. Parteifunktionäre sagten bei einem Auftritt, dass der Kurs Putins fortgesetzt werde. Sie riefen «Putin, Putin, Putin». Der Ausgang der Wahl sei ein «Festtag», sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin.
Opposition wirft Kremlpartei Wahlbetrug vor
Dagegen warf die Opposition um Nawalny der Kremlpartei Wahlbetrug vorgeworfen. Sie fühle sich an die Abstimmung von 2011 erinnert, als «uns die Wahl gestohlen wurde», schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf Twitter. «Es ist unmöglich, sich damit abzufinden.» Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow meinte: «Diese Wahlen sind schmutziger als die von 2011 - viel schmutziger.
Unabhängige Beobachter der Organisation Golos hatten Tausende Verstösse landesweit aufgelistet - meist mit Foto- und Videoaufnahmen. Der Golos-Experte Andrej Busin nannte das Ausmass «bedeutend» - besonders in Putins Heimatstadt St. Petersburg. Dort kämpften die Menschen regelrecht um ihre Stimmen, wie auf Videos zu sehen war. Vielfach wurden Wahlurnen vollgestopft mit packenweise vorausgefüllten Stimmzetteln. Es gab zudem Berichte über Wählerzwang etwa unter Staatsbediensteten sowie über Mehrfachstimmabgaben.
Die zentrale Wahlkommission kündigte an, die Beschwerden zu prüfen. Bis Sonntagabend wurden mehr als 8500 Stimmzettel annulliert, hiess es. Wahlleiterin Ella Pamfilowa meinte, es seien bisher zwölf Fälle bestätigt, bei denen Stimmzettel packenweise in die Urnen gestopft wurden. Auch die Kommunisten, die angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik des Kremls auf einen Stimmzuwachs hoffen, beklagten vielfach Verstösse. Sie kündigten Proteste an.
Zensur von Google, Youtube, Apple und Telegram
Golos-Beobachter Busin, meinte, dass die Wahlleitung kleine Zugeständnisse mache, aber die Abstimmung nicht grundsätzlich in Frage stellen werde. Wahlleitung wie die Gerichte und alle Entscheidungsebenen unterlägen der Kontrolle des Kremls, sagte er. Die von der Wahl ausgeschlossene Opposition um Nawalny hatte zur Protestwahl gegen Geeintes Russland aufgerufen.
Zum Ärger der Kremlgegner hatten die Internetriesen Google, Youtube, Apple sowie der Nachrichtenkanal Telegram Empfehlungen des Nawalny-Teams für «schlaues Abstimmen» gelöscht. Dabei wurden konkrete Namen genannt, für die Wähler stimmen sollten. Die von den Behörden verbotenen Inhalte waren aber weiter über Twitter abrufbar. Das Nawalny-Team wehrte sich gegen Kritik, dass dadurch etwa für kommunistische Bewerber geworben werde.
Es sei im Moment - angesichts des Ausschlusses der Opposition - die einzige Chance, das Machtmonopol von Geeintes Russland zu brechen, sagte Nawalnys Mitarbeiter Wolkow. «Wir werden auf jeden Fall in einem Russland leben, in dem man für gute Kandidaten mit unterschiedlichen Programmen abstimmen kann», sagte er.
Starke Polizeipräsenz in Moskau am Wahltag
In der Hauptstadt Moskau waren an den Wahltagen verstärkt Polizisten im Einsatz. Rund um den Roten Platz am Kreml standen Absperrgitter bereit - offenbar für den Fall von Protesten.
Gewählt wurden auch neue Regional- und Stadtparlamente. Bei den insgesamt mehr als 4400 Wahlen wurden mehr als 31'000 Mandate neu vergeben. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren diesmal nicht vertreten, weil sie mit den Bedingungen und der geringen Zahl zugelassener Experten nicht einverstanden waren. In dem Riesenreich gilt eine Wahlbeobachtung als besonders personalaufwendig.
Russland hatte die Einschränkungen für die westlichen Beobachter mit der Corona-Pandemie begründet. Wegen der Gefahr durch das Virus wurde die Abstimmung auf drei Tage angesetzt, damit Wähler die soziale Distanz und die Hygieneregeln einhalten können. Kritiker werfen den Behörden vor, Manipulationen zu erleichtern, weil Wahlurnen etwa nachts kaum zu kontrollieren seien.