Unter heftigen Protesten und internationaler Kritik hat Russlands Oberstes Gericht die Menschenrechtsorganisation Memorial aufgelöst.
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Russlands oberstes Gericht hat die Auflösung der Menschenrechtsorganisation Memorial verfügt. (Archiv) - sda - Keystone/AP/Pavel Golovkin

Das Wichtigste in Kürze

  • Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial wurde aufgelöst.
  • Dafür wird Russland nun heftig kritisiert.
  • Es sei eine rein politische Entscheidung, argumentieren Gegner.
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Ungeachtet internationaler Kritik hat Russlands oberstes Gericht die international bekannte Menschenrechtsorganisation Memorial aufgelöst. Die Entscheidung der Richterin Alla Nasarowa am Dienstag in Moskau gilt als der mit Abstand schwerste Schlag gegen die russische Menschenrechtsbewegung.

Aufarbeitung kommunistischer Gewaltherrschaft

Memorial hat sich seit mehr als 30 Jahren international einen Namen mit der Aufarbeitung der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Sowjetunion gemacht. Das Urteil, das nach öffentlicher Kritik an Memorial von Kremlchef Wladimir Putin nicht überraschend kam, löste breites Entsetzen aus.

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Unterstützer von Memorial in Moskau. - AFP

Jan Ratschinski von der Memorial-Leitung kündigte an, gegen die Entscheidung auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzugehen. Der prominente Verteidiger Henri Resnik, der auch Mitglied des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten ist, sprach von einem «gesetzeswidrigen» Richterspruch. «Aber das ist eine politische Entscheidung», sagte Resnik.

Menschenrechtler beklagen seit längerem zunehmende autoritäre Tendenzen und die Verfolgung Andersdenkender in Russland. Vor dem Gericht in Moskau versammelten sich mehr als 100 Unterstützer, wie Bilder von Memorial bei Twitter zeigten. Es habe vereinzelt auch Festnahmen gegeben.

Keine Begründung für Entscheid

Diplomaten aus 15 Ländern hätten den Prozess verfolgt, darunter Deutschland, teilte das Gericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge mit. Die Richterin begründete ihre Entscheidung nicht - sie folgte dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.

Vor Gericht sagte deren Vertreter Alexej Dschafjarow, dass Memorial mit seiner Arbeit die vor 30 Jahren aufgelöste Sowjetunion als «Terrorstaat» darstelle und Lügen über das Land verbreite. Nazi-Verbrecher würden sogar rehabilitiert, behauptete er. Ähnlich hatte sich erst vor drei Wochen Putin geäussert.

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Der russische Präsident Wladimir Putin. (Symbolbild) - Keystone

Die international geachtete Organisation setzt sich zum Ärger der russischen Führung auch für politische Gefangene in Russland ein - 349 gibt es demnach auf der Liste. Zudem deckte Memorial immer wieder Verbrechen gegen die Menschlichkeit des sowjetischen Geheimdienstes auf. Putin selbst ist ein früherer KGB-Offizier, der nach dem Zerfall der Sowjetunion auch den Inlandsgeheimdienst FSB leitete.

Ausländische Agenten

Die Organisation Memorial ist mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie sich selbst nicht als «ausländischer Agent» bezeichnet. Ein umstrittenes Gesetz sieht vor, dass Empfänger von Zahlungen aus dem Ausland als «Agenten» bezeichnet werden können.

Das Regelwerk steht international als politisches Instrument für willkürliche Entscheidungen gegen Andersdenkende in der Kritik. Beklagt wird auch, dass jene, die sich für die Rechte von Menschen einsetzen, als Spione stigmatisiert würden. Die Organisation erklärte, ihre Arbeit bis zu einem rechtskräftigen Urteil fortzusetzen.

Juri Dmitrijew
Juri Dmitrijew, Menschenrechtler und Historiker aus Russland, spricht zu Journalisten vor einem Gerichtsraum. In einem umstrittenen Prozess gegen den russischen Historiker und Menschenrechtler Juri Dmitrijew will ein Gericht in Petrosawodsk im Norden Russlands am Mittwoch das Urteil sprechen. Menschenrechtler der Organisationen Human Rights Watch (HRW) und Memorial halten das Vorgehen der Justiz gegen den 64-Jährigen für politisch motiviert. Foto: Vladimir Larionov/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Vladimir Larionov

Erst am Montag hatte ein russisches Gericht in einem international kritisierten Verfahren das Strafmass für den Menschenrechtler Juri Dmitrijew auf 15 Jahre Straflagerhaft heraufgesetzt. Der 65 Jahre alte Historiker, der auch für Memorial tätig war, hatte Verbrechen unter Sowjetdiktator Josef Stalin öffentlich gemacht.

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