Scholz besucht Nato-Ostflanke – Balten fordern Verstärkung
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz besucht die Nato-Ostflanke. So nah war er Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs nie mehr.
Das Wichtigste in Kürze
- Olaf Scholz besucht heute die an der Nato-Ostflanke stationierten deutschen Soldaten.
- Die baltischen Staaten dringen auf eine stärkere Nato-Präsenz im östlichen Bündnisgebiet.
So nah war Kanzler Scholz Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs noch nie: Keine 200 Kilometer Luftlinie von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt besucht er heute die an der Nato-Ostflanke stationierten deutschen Soldaten.
Vor dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Litauen dringen die baltischen Staaten auf eine stärkere Nato-Präsenz im östlichen Bündnisgebiet.
Der Nato-Gipfel in Madrid Ende des Monats müsse zu einem «Gipfel der Entscheidungen» werden und den «Übergang von Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung» markieren, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda der Deutschen Presse-Agentur vor der Scholz-Reise. Neben Luftverteidigungssystemen hoffe er auf die Stationierung einer Nato-Brigade in seinem Land, was etwa 3000 bis 5000 Soldaten entsprechen würde. Derzeit sind es 1600, davon gehören mehr als 1000 der Bundeswehr an.
Auch Lettlands Staatspräsident Egils Levits erhofft sich vom Scholz-Besuch «konkrete Vorschläge» für einen stärkeren Schutz des östlichen Nato-Bündnisgebietes. «Wir erwarten, dass auch Deutschland die gesamte Sicherheit der Nato im Auge hat und deshalb auch diese Aufstockung der Nato-Präsenz in allen drei baltischen Staaten unterstützt», sagte Levits der dpa. «Die baltischen Staaten und Deutschland sind einig, dass die Nato-Ostflanke gestärkt werden muss als Reaktion auf das aggressive Verhalten Russlands.»
Scholz erstmals seit Kriegsbeginn an der Nato-Ostflanke
Mit Litauen besucht Scholz erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein Nato-Land, das an Russland grenzt und sich durch die Atommacht besonders stark bedroht fühlt. In der Hauptstadt Vilnius wird er neben Nauseda die Regierungschefs aller drei baltischen Staaten treffen – neben Litauen und Lettland gehört noch Estland dazu. Anschliessend besucht der Kanzler die Bundeswehrsoldaten, die in Litauen zur Sicherung der Nato-Ostflanke stationiert sind.
Auf dem keine 200 Kilometer Luftlinie von der russischen Exklave Kaliningrad entfernten Truppenübungsplatz bei Prabade wird Scholz sich auch ein Bild von der Ausrüstung der Bundeswehr machen, zu der Schützen- und Kampfpanzer, schwere Artillerie sowie Aufklärungsdrohnen zählen. Beim Nato-Gipfel in Madrid wird es vom 28. bis 30. Juni darum gehen, inwieweit die Nato-Truppen an der Ostflanke noch einmal aufgestockt werden.
Baerbock stellt weitere Verstärkung in Aussicht
Aussenministerin Annalena Baerbock hatte im April bei ihrem Besuch in Litauen schon einen «substanziellen Beitrag» Deutschlands zu einer Vergrösserung der Nato-Truppe im Osten zugesagt. «Wir müssen praktisch in der Lage sein, jeden Quadratzentimeter unseres gemeinsamen Bündnisgebietes, das heisst des Baltikums, zu verteidigen.
Und zwar ab der ersten Minute», sagte die Grünen-Politikerin. Die Nato-Verstärkungstruppe, an der auch Soldaten sieben anderer europäischer Länder beteiligt sind, war im Zuge der Ukraine-Krise schon von rund 1200 auf etwa 1600 Soldatinnen und Soldaten aufgestockt worden.
Litauen zählt neben Lettland, Estland, Polen und Norwegen zu den fünf Nato-Staaten, die eine Landgrenze mit Russland haben. Mit Finnland könnte bald ein sechstes hinzukommen. In der russischen Exklave Kaliningrad sind Raketen stationiert, die das gesamte Baltikum, ganz Polen und sogar Berlin erreichen können.
Unterschiedliche Haltung zu EU-Perspektive für die Ukraine
Der Schutz vor der russischen Bedrohung wird aber nicht das einzige Thema des Scholz-Besuchs sein. Es wird auch um die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer und die europäische Perspektive des Landes gehen. Während die baltischen Staaten dafür sind, die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten zu machen, hat sich die Bundesregierung noch nicht entschieden.
Scholz will sich zunächst um die Aufnahme der Beitrittskandidaten auf dem Balkan kümmern. Mit Blick auf die Ukraine betont er, dass es für das Land keine Abkürzung auf dem Weg in die EU geben dürfe.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat neue Kooperationsformen mit Ländern wie der Ukraine angeregt, weil ein EU-Beitritt innerhalb weniger Jahre nicht erreichbar sei. Nauseda hat sich dazu skeptisch geäussert. «Ich habe den Eindruck, dass dies ein Versuch ist, den offensichtlichen Mangel an politischem Willen zu überdecken, Entscheidungen über die Gewährung des Kandidatenstatus zu treffen.»