Ukraine-Krieg: Experte berechnet hohe Chancen für Atomkrieg
Laut einem Experten ist die Wahrscheinlichkeit eines apokalyptischen Atomweltkriegs angesichts der eskalierenden Spannungen mit Russland enorm hoch.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Wissenschaftler hat die Wahrscheinlichkeit eines weltweiten Atomkrieges berechnet.
- Demnach liegt die Gefahr, dass Russland Atombomben zündet, nur noch bei eins zu sechs.
- Es gibt aber auch drei realistische «Deeskalations»-Szenarien für einen «Dauerfrieden».
Während die zum Scheitern verurteilte Ukraine-Invasion von Kreml-Chef Wladimir Putin mehr und mehr ins Stocken gerät, steigt laut einem schwedischen Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit eines weltweiten Atomkrieges.
Aktuell ist die Gefahr, dass Russland Atombomben zündet, laut dem schwedischen Wissenschaftler Max Tegmark so gross, wie das Risiko bei einem Spiel russisches Roulette von einer Kugel getötet zu werden.
Zur Erinnerung: Beim russischen Roulette wird ein Revolver, der Platz für sechs Schuss Munition bietet, mit nur einer Patrone bestückt, bevor die Trommel so gedreht wird, sodass die Position der Kugel unbekannt ist.
In anderen Worten: Der Leiter des Instituts «Future for Life» behauptet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges zwischen Russland und den USA etwa eins zu sechs oder knapp 17 Prozent beträgt.
Verschiedene Szenarien könnten zu nuklearen Angriffen führen
Doch was müsste geschehen, damit Putin sich einem atomaren Erstschlag entscheiden würde? Die Berechnungen von Tegmark basieren laut der britischen «Sun» alle auf den Wahrscheinlichkeiten des Eintretens bestimmter Ereignisse.
So würde beispielsweise ein Sieg Russlands zu einer sogenannten «Kosovo»-Situation führen, wobei die abtrünnigen «pro-russischen» Regionen der Ukraine unabhängig von Kiew bleiben würden. Dieses Ergebnis, das sich auf die «Loslösung» des Kosovo von Serbien bezieht, wäre für die Ukraine nicht akzeptabel.
Andererseits würde ein totaler Sieg der Ukraine zu einem sogenannten «Vietnam»-Szenario führen, ähnlich der Zerschlagung der Amerikaner durch den Vietcong in den 1960er Jahren – und das wäre eine grosse Demütigung für Moskau. Tegmark glaubt, dass es aus diesen Gründen wahrscheinlicher ist, dass keine Seite nachgibt und der Konflikt durch Terroranschläge, Mobilisierung und nukleare Erpressung eskaliert.
Weil Russland aber auf Dauer nicht mit den USA und Europa konkurrieren könne, so Tegmark, würde der Kreml zu einer «qualitativen Eskalation» greifen, wie etwa die massiven Raketenangriffe vom 10. Oktober gezeigt hätten. Das extremste Ergebnis einer solchen Eskalation wäre laut dem Experten der Einsatz von Atomwaffen.
Putin würde Atom-Angriff der Kapitulation vorziehen
Max Tegmark behauptet weiter, dass die Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland und der Versuch, Verhandlungen aufzunehmen, ein Weg sei, irgendeine Form von «Sieg» in dem Konflikt zu erreichen zu versuchen.
Der Wissenschaftler meint, dass sich Putin wahrscheinlich erst seinem Arsenal von mehr als 6000 Atomwaffen zuwenden wird, bevor er sich vollständig ergibt, weil jedes Anzeichen von Schwäche zum Sturz seines Regimes führen würde.
«Ich halte es für äusserst unwahrscheinlich (weniger als 10 Prozent), dass Putin das ‹Vietnam›-Szenario akzeptieren würde, ohne vorher Atomwaffen einzusetzen, weil dies mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Sturz, seiner Inhaftierung oder seiner Ermordung führen würde.»
Tegmark hält es aber auch für äusserst unwahrscheinlich (weniger als 10 Prozent), dass der Westen ein «Kosovo»-Szenario akzeptiert, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Krieg entweder zu einer Art Pattsituation führen wird – oder aber Russland in der Ukraine Nuklearwaffen einsetzen wird.
«USA und Russland bei Deeskalation weniger kompetent»
Diese Wahrscheinlichkeit, dass Russland in der Ukraine Nuklearwaffen einsetzt, liegt demnach inzwischen bei 30 Prozent. Sollte dieser Fall eintreten, glaubt Tegmark, dass es eine 80-prozentige Chance auf eine starke, aber entscheidend nicht-nukleare Reaktion der Nato geben wird. Als Beispiel nennt der Schwede hier die Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte.
Es sei schwer vorstellbar, dass Russland dies nicht als Kriegserklärung betrachten würde, so der Experte weiter. «Das wahrscheinlichste Szenario (70%), das ich danach sehe, sind versuchte russische Vergeltungsschläge, gefolgt von einer schnellen Eskalation auf beiden Seiten.» Diese Zahl basiere auf der langen Geschichte der Welt im Umgang mit Atomwaffen.
«Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Russland sind bei der Deeskalation weit weniger kompetent als bei der Eskalation.» Tegmark behauptet deshalb, dass ein solches Szenario zu einem totalen nuklearen Armageddon führen könnte. Andernfalls bestehe eine 30-prozentige Chance, dass beide Seiten gezwungen wären, zu Zwischenlösungen wie den «Kosovo/Vietnam»-Szenarien zurückzukehren.
Möglichkeiten zur Deeskalation im Ukraine-Krieg
So greifbar nahe ein verheerender Atomangriff Russlands scheinen mag – es gibt auch drei realistische «Deeskalations»-Szenarien für einen «Dauerfrieden». Der Experte nennt hier etwa den Konflikt zwischen Finnland und Russland, einen «eingefrorenen Konflikt» (relative Waffenruhe) wie er zwischen Nord- und Südkorea nach dem Ende des Koreakrieges zu sehen war, oder ein «schwelender Krieg» – wie etwa die anhaltende Instabilität in Libyen.